„Das ist ja furchtbar! Geht das hier noch lange so weiter?“ rief am letzten Spieltag des vergangenen Jahres eine plötzlich aus dem Saal stürmende Zuschauerin. Dabei hatten wir doch gerade angefangen, nicht nur mit dem Auftritt unserer kinoeigenen und extra für den Abend zusammengestellten Blaskapelle, sondern auch mit dem Üben. In Anbetracht unseres bescheidenen Repertoires war unser musikalisches Vorprogramm dann auch schnell, also nach genau einem Titel, vorbei. Man muss uns unsere Spielfreude und den Stolz angesehen haben, aber auch das Lampenfieber und eine von forschem Auftreten verdeckte Schüchternheit. Vielleicht nennen Sie das dilettantisch? Falsch wäre das nicht. Nach meinem Gefühl werden die interessanten und ambitionierten Kinos ja ohnehin von Dilettanten betrieben, nicht von trockenen Filmtheaterkaufleuten, sondern von Menschen denen die Sache Spaß macht. Schließlich steckt im Wort Dilettant das lateinische „delectare“ also, das (sich) „erfreuen“ drin. Am letzten Kinotag dieses Jahres, also am 19. Dezember, spielen wir wieder Filme, die uns besonders viel Freude bereiten, tun also endlich wieder einmal etwas, das wir nur um seiner selbst willen tun. Ganz so wie die von den jugoslawischen Behörden verfolgten Radiopiraten oder Funkamateuren in Krsto Papićs Dokumentarfilm NEK SE ČUJE I NAŠ GLAS aus dem Jahr 1971. Die bäuerlich konservative aber ebenso bäuerlich anarchistische Bevölkerung der jugoslawischen Volksrepublik scheint da weit vor der Erfindung des Podcasts vom Sendefieber infiziert und lässt sich in seinen bisweilen grotesk anmutenden Bemühungen um ein vollwertiges individuelles eigenes Radioprogramm auch von staatlicher Verfolgung nicht ausbremsen. Auch bei den anlässlich einer dörflichen Misswahl im Film MALA SEOSKA PRIREDBA (Kleines Dorfevent) aufspielen Musikanten handelt es sich um Amateure. Offensichtlich eifern die dörflichen Protagonisten mit der Veranstaltung einem vom Fernsehen oder dem gern kopierten Westen gesetzten Muster nach – zum Schreien komisch und gleichzeitig zum Heulen traurig.
Der als Vorprogramm geplante Auftritt unserer wiederaufgestellten Kinobetriebskapelle ist dagegen wirklich kein Grund zum Weinen. Sie dürfen gern mitspielen, melden Sie sich doch noch bitte unbedingt als Mitspielerin oder Mitspieler an! Nicht nur über blechblasende Verstärkung würden wir uns wirklich freuen.
Was war eigentlich Kino oder „Geht das hier noch lange so weiter“? Wenigstens die erste Frage wurde letztens auch bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Verbandes der deutschen Filmkritik und der Akademie der Künste gestellt. Wozu braucht es Kino noch, wenn Filme nicht mehr allein, am Rande oder nur noch halbherzig oder um der ausgelobten Verleihförderung willen fürs Kino angeboten werden? Sehen wir uns lediglich als Verwertungsbetrieb und wollten wir so etwas jemals ausschließlich sein? Eigentlich wären wir gern mehr, sind das bisweilen hoffentlich auch, stoßen dabei viel zu oft an eigene und andere Grenzen.
„Geht das hier noch lange so weiter“? Im Gegensatz zum Kino wird der Film überleben. Vielleicht kehren wir als Kino wieder mehr zu unseren uralten Wurzeln zurück und denken an die Anfänge und Ahnen: das fahrende Volk, die Gaukler und Schaubudenbetreiber. In diesem Sinne treten wir am 19. Dezember mit unser Kinobetriebsblasmusikkapelle auf. Kommen Sie vorbei und trauen sich, vielleicht wollen Sie auch unser Scheitern sehen? Aus Voyeurismus oder Schadenfreude, kein Grund für Scham, dafür suchte man doch Schaubuden auf! Vielleicht entwickeln Sie aber auch Mitgefühl mit uns oder Bewunderung? Wäre das nicht schön? So kurz vor Weihnachten, wir atmen im selben Takt, wir und Sie, Sie und das Kino kommen zusammen. Wir hätten dann ein vorweihnachtliches Rendezvous! (gh)