Kein Wort

Deutsch­land / Frank­reich / Slo­we­ni­en 2023, 87 min, deut­sche Originalfassung

Regie: Han­na Slak

Als Nina erfährt, dass ihr jugend­li­cher Sohn Lars bei einem Schul­un­fall ver­letzt wur­de, steht sie vor einem Dilem­ma: Kann sie die Pro­ben mit ihrem Orches­ter hin­ter sich las­sen, um ganz für ihn da zu sein… in einer Situa­ti­on, die ihr Leben ver­än­dern könn­te? Die Ent­schei­dung, die sie trifft, ist ein Kom­pro­miss: Sie ver­lässt Mün­chen für fünf Tage, um mit Lars auf die Insel im Wes­ten Frank­reichs zu fah­ren, auf der sie nor­ma­ler­wei­se ihren Som­mer­ur­laub ver­brin­gen – ein Ort vol­ler schö­ner Erin­ne­run­gen und Bedeu­tung für Lars. Doch im Win­ter ist die Insel kein Urlaubs­pa­ra­dies, son­dern win­dig, dun­kel und kalt. In dem klei­nen Haus am Strand sind Mut­ter und Sohn gezwun­gen, sich gegen­sei­tig zu begeg­nen. Die Gedan­ken an die Musik ver­fol­gen Nina, die Anru­fe vom Fest­land beun­ru­hi­gen sie. Sabo­tiert sie gera­de ihre Kar­rie­re, für die sie so hart gekämpft hat… und für was? Lars zieht sich jeden Tag wei­ter zurück. Miss­ver­ständ­nis­se häu­fen sich, Mut­ma­ßun­gen wer­den zu Ver­däch­ti­gun­gen: War Lars Zeu­ge eines grau­sa­men Ver­bre­chens in der Schu­le? War er viel­leicht sogar dar­an betei­ligt? Als ein Win­ter­sturm die letz­te Ver­bin­dung zum Fest­land kappt, kommt es zu einer gefähr­li­chen Konfrontation.

„Mit ihrer Kame­ra­frau Clai­re Mathon (…) erfasst Slak die raue Atlan­tik­küs­te als einen Ort, der im Win­ter weit von der Anmu­tung eines Urlaubs­pa­ra­die­ses ent­fernt ist, son­dern sich als har­sche, erbar­mungs­lo­se Her­aus­for­de­rung erweist – und zugleich als See­len­land­schaft des ent­frem­de­ten Mut­ter-Sohn-Duos fun­giert. In einem Inter­view erläu­tert die Regis­seu­rin, dass es ihr dar­um gegan­gen sei, einen Kon­trast zwi­schen dem orga­ni­sier­ten urba­nen Raum und der rohen Kraft der Natur zu schaf­fen. Dies ist ihr her­vor­ra­gend gelun­gen. Die visu­el­le Spra­che und das Sound­de­sign fan­gen das Meer, den auf­zie­hen­den Sturm und die Licht­si­tua­ti­on auf der win­ter­li­chen Insel in all ihren unkon­trol­lier­ba­ren Aus­ma­ßen per­fekt ein. Es wird deut­lich, wie sehr Lars sei­ne Mut­ter aus deren Kom­fort­zo­ne her­aus­bringt, indem er sie zu die­ser spon­ta­nen Rei­se bewegt hat.“ (Andre­as Köh­ne­mann, kino​-zeit​.de)

„Es ist erstaun­lich, wie es Regis­seu­rin Han­na Slak trotz eines über­aus lang­sa­men Tem­pos gelingt, die­ses stil­le Dra­ma um Unacht­sam­keit und die Fol­gen von Lie­bes­ent­zug mit viel Sinn für mini­ma­lis­ti­sche Kör­per­spra­che und Mimik in der Span­nung zu hal­ten. „Kein Wort“ zeigt in klei­nen, emo­tio­nal auf­ge­la­de­nen Sze­nen höchst ein­drück­lich, wie leicht eine Mut­ter-Sohn-Bezie­hung an ihre Gren­ze gera­ten kann, weil ein Tele­fon­an­ruf stets wich­ti­ger ist als das War­ten auf eine Ant­wort, die von dem Gegen­über unter Zeit­druck erst müh­sam gefun­den wer­den muss.“ (Alex­an­dra Wach, film​dienst​.de)

“Musik-Ken­ner und Mah­ler-Fans sind bei die­sem Film im Vor­teil, denn Regis­seu­rin Han­na Siak hat ihr Dreh­buch kon­ge­ni­al an Mah­lers 5. Sin­fo­nie ent­lang kon­stru­iert. Film­mu­sik und Hand­lung neh­men sub­til Bezug auf Mah­lers Werk, das sich eben­falls – wie vie­le Mah­ler-Kom­po­si­tio­nen – um den Ver­lust von gelieb­ten Kin­dern dreht. Die Kom­po­nis­tin der Film­mu­sik, Amé­lie Legrand, hat geschickt Mah­lers Sin­fo­nie mit ihren eige­nen Klän­gen ver­wo­ben und spie­gelt dabei nicht nur den Mut­ter-Sohn-Kon­flikt, son­dern schafft in Ver­bin­dung mit den Insel­bil­dern eine sehr eige­ne, manch­mal fremd­ar­ti­ge, manch­mal bedroh­li­che Stimmung.

KEIN WORT ist sicher­lich kei­ne leich­te Kino­kost, dazu ist der Film zu sprö­de und zu sper­rig, ähn­lich wie die Bezie­hung sei­ner Prot­ago­nis­ten. Doch wer bereit ist, in die schrof­fe Insel­welt ein­zu­tau­chen – sowohl auf dem Atlan­tik als auch im Inne­ren der Prot­ago­nis­ten – der kann hier Kino in einer sehr impres­si­ven Form erle­ben: über Men­schen, ihre Gefüh­le und Irr­we­ge. Bis zum Atlan­tik und zurück.” (Gaby Sikor­ski, pro​gramm​ki​no​.de)