Dou­ble Fea­ture: RESENT­MENT + NEW TIME, NEW LUCK

JFBB Sek­ti­on: BRUCH ODER KON­TI­NUI­TÄT? “ANTI­ZIO­NIS­MUS” UND ANTI­SE­MI­TIS­MUS IM SOZIA­LIS­MUS UND DANACH. TEIL II: ANTI­SE­MI­TIS­MUS IM POSTSOZIALISMUS

RESENT­MENT

Gleb Osa­tin­ski, US/LT 2024, 30 min, OmeU

Ori­gi­nal­spra­che: Ukrai­nisch, Russisch

1990, irgend­wo in der Ukrai­ne. Die Sowjet­uni­on zer­fällt gera­de, der 17-jäh­ri­ge Yasha trotzt gegen Eltern, Schu­le und Gesell­schaft an. Doch die mag ihn nicht – weil er mit sei­ner Band die fal­sche Musik spielt, und, weil er Jude ist.

Yasha ist ein typi­scher Teen­ager: Bock auf Rock, oder mehr noch auf Punk, ers­te Lie­be, Wut im Bauch, Tes­to­ste­ron im Blut und die Zukunft im Kopf. Die soll bes­ser wer­den als die Gegen­wart in der hei­mi­schen Plat­ten­bau­sied­lung: New York steht auf dem Plan. Yasha bricht schon die Brü­cken hin­ter sich ab, noch bevor er das ande­re Ufer erreicht hat. Von den Mitschüler:innen wird er gemobbt: der Außen­sei­ter, der Frem­de, der Kos­mo­po­lit, der Jude. Als sein Vater ihm eröff­net, dass die USA gar kei­ne Opti­on mehr sind und er in der Stadt blei­ben muss, die ihm weder Hei­mat noch Schutz bie­tet, ras­tet er aus.

Text: Bernd Buder

NEW TIME, NEW LUCK

Haim Tche­let, IL 1991, 56 min, OmeU, Dokumentarfilm

Ori­gi­nal­spra­che: Hebräisch

Riga 1990: 20 Jah­re, nach­dem er die Sowjet­uni­on ver­las­sen hat, kehrt der Regis­seur Haim Tche­let in sei­ne alte Hei­mat zurück. Wie hat sich die Situa­ti­on für Jüdin­nen und Juden unter dem Ein­druck von Glas­nost und Pere­stroi­ka ver­än­dert? Ein Zeitdokument.

1990 gehört Lett­land noch zur Sowjet­uni­on, gera­de noch. Die Refor­men der Regie­rung Gor­bat­schow geben in aller Welt Anlass für Opti­mis­mus. Tche­let reist im Mai 1990 nach Riga und trifft auf Jüdin­nen und Juden, die zwar Hoff­nung auf eine bes­se­re Zukunft haben, aber nicht viel Ver­trau­en in die­se. Er filmt in Syn­ago­gen, Schu­len und auf der Stra­ße, in Wohn­zim­mern und Gemein­de­zen­tren. Por­trai­tiert einen jüdi­schen All­tag, der auf dem Weg ist, ein Teil gesell­schaft­li­cher Nor­ma­li­tät zu wer­den. Schein­bar. Denn die Trau­ma­ta der Ver­gan­gen­heit, die Erfah­run­gen der Shoa und des Anti­se­mi­tis­mus wäh­rend des Sozia­lis­mus sit­zen tief. Das Zusam­men­wir­ken von „anti­zio­nis­ti­scher“ Pro­pa­gan­da in der Poli­tik und tra­dier­ter Juden­feind­schaft in der Gesell­schaft, die Ver­nach­läs­si­gung jeg­li­cher Erin­ne­rungs­ar­beit in der UdSSR, die Angst davor, offen zu sagen, dass man Jüdin:Jude ist, haben sich tief ins jüdi­sche Bewusst­sein ein­ge­gra­ben. Die Befrag­ten erzäh­len, dass es jetzt im Bal­ti­kum immer­hin bes­ser sei, als in Russ­land. Eine Bestands­auf­nah­me aus dem Umbruchs­jahr 1990, noch vor der gro­ßen Aus­rei­se­wel­le von Jüdin­nen und Juden in Rich­tung Westen.