CLO­SENESS

JFBB Sek­ti­on: BRUCH ODER KON­TI­NUI­TÄT? “ANTI­ZIO­NIS­MUS” UND ANTI­SE­MI­TIS­MUS IM SOZIA­LIS­MUS UND DANACH. TEIL II: ANTI­SE­MI­TIS­MUS IM POSTSOZIALISMUS

Kan­t­e­mir Balagov, RU 2017, 118 min, OmU (Eng­lisch + Deutsch), Spielfilm

Ori­gi­nal­spra­che: Russisch

Beset­zung: Darya Zhov­ner, Olga Dra­gu­n­o­va, Artem Tsypin

Die selbst­be­wuss­te Ila­na wür­de ger­ne ihr Leben lang an Autos her­um­schrau­ben. Aber die jüdi­sche Gemein­schaft in Kabar­di­no-Bal­ka­ri­en gerät unter den Druck von Isla­mis­ten – als ihr Bru­der ent­führt wird, soll sie ihr frei­es Leben auf­ge­ben, um Löse­geld­for­de­run­gen zu beglei­chen.  In sei­nem Debüt­film zeigt Kan­t­e­mir Balagov, wie eine feind­li­che Gesell­schaft die Fami­lie zur Flucht treibt.

Eigent­lich ist Ila­na zufrie­den. In der Auto­werk­statt fühlt sie sich pudel­wohl und um den kon­ser­va­ti­ven Lebens­ent­wurf küm­mert sich ihr Bru­der David, der sich schon früh ver­lobt – mit einer Jüdin, wie es die klei­ne Gemein­de vor Ort von ihm erwar­tet. Ila­na hin­ge­gen trifft sich lie­ber heim­lich mit ihrem mus­li­mi­schen Freund zum Sau­fen, Fum­meln und Kiffen.

Aber das Leben ist unbarm­her­zig in der Klein­stadt Nal­t­schik in der süd­rus­si­schen Regi­on Kar­ba­di­no-Bal­ka­ri­en im Nord­kau­ka­sus. David und sei­ne Ver­lob­te wer­den ent­führt und die ver­sam­mel­te Gemein­de kann das Löse­geld nicht auf­brin­gen. Aber wenn die Werk­statt ver­kauft und Ila­na gewinn­brin­gend hei­ra­ten wür­de, könn­te es rei­chen. Wird die eigen­sin­ni­ge jun­ge Frau zuguns­ten ihrer Fami­lie ihre Lebens­plä­ne aufgeben?

In lan­gen Sze­nen und Plan­se­quen­zen mit inten­si­ver Farb­sym­bo­lik, in denen oft mehr geschwie­gen als gespro­chen wird, nutzt Balagov teils dras­ti­sche Bil­der, um den Druck auf­zu­zei­gen, der von der immer feind­se­li­ger ein­ge­stell­ten, gewalt­be­rei­ten Mehr­heits­ge­sell­schaft auf die jüdi­sche Min­der­heit aus­ge­übt wird. Balagovs Film, der Ende der 1990er-Jah­re spielt, ist von einer wah­ren Bege­ben­heit inspiriert.

Text: Rai­ner Mende