Dou­ble Fea­ture: SCHA­LOM, NEU­ES DEUTSCH­LAND – JUDEN IN DER DDR + CHRO­NIK EINER RÜCK­KEHR: LEBENS­WE­GE DEUT­SCHER JUDEN IN DER DDR

JFBB Sek­ti­on: BRUCH ODER KON­TI­NUI­TÄT? “ANTI­ZIO­NIS­MUS” UND ANTI­SE­MI­TIS­MUS IM SOZIA­LIS­MUS UND DANACH. TEIL II: ANTI­SE­MI­TIS­MUS IM POSTSOZIALISMUS

SCHA­LOM, NEU­ES DEUTSCH­LAND – JUDEN IN DER DDR

Tom Fran­ke, Mark Cha­et, Lutz Rent­ner, DE 2018, 45 min, OV

Ori­gi­nal­spra­che: Deutsch

Der Faschis­mus, und damit auch der Anti­se­mi­tis­mus, gal­ten in der DDR als „mit Stumpf und Stiel“ aus­ge­rot­tet. Nach 1945 dort­hin zurück­ge­kehr­te kom­mu­nis­ti­sche Juden und Jüdin­nen spre­chen über ihre oft ambi­va­len­ten Erfah­run­gen, dar­un­ter „Pankow“-Sänger André Herzberg.

Die gesell­schaft­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit der Shoa spiel­te in der DDR eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le. SCHA­LOM, NEU­ES DEUTSCH­LAND stellt die Bio­gra­fien und die emo­tio­na­len Schil­de­run­gen der Prot­ago­nis­ten in den Vor­der­grund und zeigt, wie Juden in der DDR gelebt und gefühlt haben – als Kom­mu­nist und Jude oder als Kom­mu­nist oder Jude?

Salo­mea Genin, die als jun­ge Kom­mu­nis­tin mit vie­len Illu­sio­nen in die DDR kam, hoff­te auch durch die Arbeit in der jüdi­schen Gemein­de etwas ändern zu kön­nen. Auch für den Schrift­stel­ler und Jour­na­lis­ten Wal­ter Kauf­mann war die DDR Wahl­hei­mat. Er fin­det erst spät zu sei­nen jüdi­schen Wur­zeln zurück. Wer­ner Lap­pe aus Dres­den kommt mit sei­nen Eltern aus dem eng­li­schen Exil in die DDR. Er fühlt sich als soge­nann­ter „Drei-Tages-Jude“, der nur zu den gro­ßen jüdi­schen Fei­er­ta­gen in die Syn­ago­ge geht. Der Rock­sän­ger André Herz­berg, der durch den Film führt, spür­te die Zer­ris­sen­heit der Mut­ter, wenn sie sich zwi­schen der kom­mu­nis­ti­schen Über­zeu­gung und der jüdi­schen Reli­gi­on ent­schei­den soll­te. Für ihn wur­de die jüdi­sche Iden­ti­tät nach der fried­li­chen Revo­lu­ti­on 1989 ein neu­er Anker. Auch der Musi­ker Kars­ten Troy­ke erleb­te schon in sei­ner Schul­zeit, wie Anti­fa­schis­mus zwar als Staats­dok­trin galt, er im All­tag aber immer wie­der mit anti­se­mi­ti­schen Äuße­run­gen kon­fron­tiert war. Der His­to­ri­ker Prof. Wolf­gang Benz erläu­tert his­to­ri­sche Zusam­men­hän­ge und ord­net die­se im Rah­men der Anti­se­mi­tis­mus­for­schung ein.

Text: Bernd Buder, bear­bei­te­tes Mate­ri­al von Web­site von arm­a­da­Film

CHRO­NIK EINER RÜCK­KEHR: LEBENS­WE­GE DEUT­SCHER JUDEN IN DER DDR

Mar­tin Pátek, CZ/BRD/US 1993, 58 min, OV, Dokumentarfilm

Ori­gi­nal­spra­che: Deutsch

Ihre Fami­li­en waren vor den Nazis ins Aus­land geflo­hen. Nach dem Krieg führ­te sie der Traum von einem bes­se­ren Deutsch­land zurück in die DDR. Wäh­rend die sich 1989/1990 lang­sam auf­löst, schil­dern sie vor der Kame­ra ihre Geschich­ten und ihre Sor­ge um die Zukunft.

Man­che flo­hen vor den Nazis nach Frank­reich, nach Groß­bri­tan­ni­en, in die USA oder die Sowjet­uni­on, ande­re wur­den im Exil oder nach dem Krieg gebo­ren. Ihre Fami­li­en kehr­ten in die DDR zurück, weil sie von einem bes­se­ren Deutsch­land träum­ten – kom­mu­nis­tisch, fried­lich, anti­fa­schis­tisch – und auch frei von Antisemitismus.

Fami­li­en und Freund:innen waren ver­schwun­den, aber in der DDR gab es für sie Arbeit, Woh­nun­gen und gesell­schaft­li­chen Anschluss unter dem Schlag­wort „Nie wie­der Krieg!“ Trotz­dem spü­ren sie deut­lich, dass sie nicht nur Kommunist:innen und DDR-Bürger:innen sind, son­dern wie „eine Kuh, die im Pfer­de­stall gebo­ren ist“ – das Gefühl des Anders­seins war stets ihr Beglei­ter. Waren sie an ers­ter Stel­le Kommunist:in und erst dann Jüdin bzw. Jude? Oder umge­kehrt? Und wie sah das ihr poli­ti­sches Umfeld?

Als sich die DDR am Ende der 1980er-Jah­re zuerst wan­delt und dann ver­schwin­det, berich­ten sie für ein US-For­schungs­pro­jekt vor der Kame­ra über ihre Lebens­we­ge, reflek­tie­ren ihre Son­der­rol­le und wer­fen dabei einen kri­ti­schen Blick auf die ver­gan­ge­nen Jah­re sowie die aktu­el­len gesell­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen – auch auf den bedroh­lich anwach­sen­den Rechtsextremismus.

Text: Rai­ner Mende