Forum & Friends: Osteuropa-Nachlese

am Sams­tag, 05. + Sonn­tag, 06. April

| Die vier­te Aus­ga­be von „forum & friends“ ist eine Nach­le­se des 55. Forums im Kino Kro­ko­dil mit Fokus auf das Kino Ost- und Süd­ost­eu­ro­pas. Zur „Absti­nenz der sozia­lis­ti­schen Staa­ten von der Ber­li­na­le“ (W. Jacob­sen, „50 Jah­re Ber­li­na­le) steht in den Anna­len des Fes­ti­vals eini­ges geschrie­ben. Bis 1974 war aus dem ‚Osten‘ Euro­pas nur das block­freie Jugo­sla­wi­en ver­tre­ten. Hier ent­stand 1969, im Jahr nach dem Schei­tern der Neu­en Lin­ken (und zwei Jah­re bevor das Forum Bestand­teil des Fes­ti­vals und Garant für die Prä­senz des ost­eu­ro­päi­schen Kinos wur­de), Želi­mir Žil­niks irres Lang­spiel­de­büt Rani rado­vi (Ear­ly Works), trotz der Kon­kur­renz Gro­ßer (von Buñu­el über de Pal­ma bis Godard) Gewin­ner des Gol­de­nen Bären.

Mit Trä­nen in den Augen erzähl­te der 82-jäh­ri­ge Žil­nik beim 55. Forum der 75. Ber­li­na­le davon und mach­te die Eröff­nungs­ver­an­stal­tung des Forums zur Stern­stun­de. Weni­ge Tage zuvor hat er noch die Stu­den­ten­pro­tes­te in Novi Sad und Beo­grad unter­stützt. Sein neu­es­ter Film heißt RESTI­TU­CI­JA, ILI, SAN I JAVA STA­RE GAR­DE / EIGH­TY PLUS (Ser­bi­en, Slo­we­ni­en 2025) und folgt 80+ Milan Kovače­vić ali­as Stevan Arsin von Wien (wo er im Anti­qua­ri­at LPs sei­ner Jazz­band „Mon­te­ne­gro Five“ aus den 1960ern ‚zurück‘-erwirbt) nach Ser­bi­en, wo ihm der Staat das einst ent­eig­ne­te Fami­li­en-Haus zurück­er­stat­tet – eine Ange­le­gen­heit, die er soli­da­risch angeht, ganz ent­ge­gen der vor­herr­schen­den Besitz­gier. Augen­zwin­kernd und sub­ver­siv wie stets erkun­det Žil­nik mit Alters-Charme und Lai­en­dar­stel­lern das post­so­zia­lis­ti­sche Land und sei­ne Gesell­schaft. 1969 Ear­ly Works, nun qua­si Late Works: Das Auge für das Poli­tisch-Sozia­le an den Rän­dern bleibt scharf.

Ähn­lich wohl­wol­len­der Humor bei durch­schim­mern­der Gewalt prägt THE SWAN SONG OF FEDOR OZER­OV, das Spiel­film­de­büt des bela­rus­si­schen Regis­seurs Yuri Semash­ko, eine litau­isch-deut­schen Kopro­duk­ti­on, die fast zur Gän­ze im pol­ni­schen Exil, mit Mini-Bud­get und einer Trup­pe jun­ger Enthu­si­as­ten ent­stand. Wäh­rend drau­ßen der Drit­te Welt­krieg droht und die Schwes­ter demons­trie­ren geht, hat Fedor nur die Musik im Kopf – und sei­nen Inspi­ra­ti­on ver­hei­ßen­den Glück­spul­li. Obses­siv sucht er ihn und gerät in Woh­nun­gen von Freun­den, Frau­en und Frem­den, in Gesprä­che mit skur­ri­len Cha­rak­te­ren vol­ler Angst und Ego, alle auf der Suche nach Gleich­ge­sinn­ten und ein wenig Nähe ange­sichts des Welt­un­ter­gangs. Das Por­trät einer krea­ti­ven Genera­ti­on, die der Schwe­re der Welt und dem rea­len Hor­ror unter­drü­cke­ri­scher Sys­te­me trotzt, gewann beim 55. Forum den Preis der Tagesspiegel-Leserjury!

Dem rea­len Ter­ror des rus­si­schen Angriffs­kriegs gegen die Ukrai­ne sehen in Vita­ly Man­skys epi­schem Doku­men­tar­film CHAS PIDLO­TU / TIME TO THE TAR­GET (Lett­land, Tsche­chi­en, Ukrai­ne) die Bewohner*innen L’vivs in die Augen, sie haben kei­ne Wahl: Russ­lands Rake­ten errei­chen auch die West­ukrai­ne in kür­zes­ter Zeit. Nie­mand ist hier sicher, nicht vor Tod, Zer­stö­rung oder den gesell­schaft­li­chen Fol­gen des Zer­mür­bungs­krie­ges. Der städ­ti­sche Fried­hof füllt sich mit Flag­gen und Holz­kreu­zen, einen Früh­ling und ein wei­te­res Kriegs­jahr lang. Ein schmerz­haf­ter Film in einer schmerz­haf­ten Zeit.

Den Abschluss macht Tama­ra Ste­pan­yans MES FANTÔMES ARMÉ­NI­ENS / MY ARME­NI­AN PHAN­TOMS (Frank­reich, Arme­ni­en, Katar), eine Zeit­rei­se in ihre Kind­heit und zugleich in die arme­ni­sche Film­ge­schich­te, die nicht zuletzt ihr Vater als Schau­spie­ler geprägt hat. Sie selbst wird Regis­seu­rin, eine der weni­gen Frau­en in ihrem Land und einer Film­kul­tur, die wie so vie­le im ‚Osten Euro­pas‘ von Exil, Kriegs­er­fah­rung und post-sozia­lis­ti­scher Unru­he zeugt. (Bar­ba­ra Wurm)

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Spiel­ter­mi­ne im Über­blick (alle Fil­me OmeU):

Sams­tag, 05. April

17.30 Uhr Resti­tu­ci­ja, ili, San i java sta­re gar­de / Eigh­ty Plus,

Ein­füh­rung: Bar­ba­ra Wurm

20.00 Uhr The Swan Song of Fedor Ozer­ov,

Ein­füh­rung: The­re­sa Wies­weg (Tages­spie­gel Leser­ju­ry) und Bar­ba­ra Wurm

Sonn­tag, 06. April

16.00 Uhr Chas pidlo­tu / Time to the Target

Ein­füh­rung: Bar­ba­ra Wurm

19.30 Uhr Mes fan­tô­mes armé­ni­ens / My Arme­ni­an Phantoms

Ein­füh­rung: Bar­ba­ra Wurm

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Forum & Friends: Ost­eu­ro­pa-Nach­le­se ist Teil der vom Haupt­stadt­kul­tur­fonds geför­der­ten Ver­an­stal­tungs­rei­he Arse­nal on Location:

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