Der rand­stän­di­ge Pla­net von Tho­mas Heise

im Rahmen der Reihe „Aus vergangener Zukunft“ anlässlich des 100. Jahrestags der Oktoberrevolution

Thomas Heise anlässlich der Aufführung seiner Filme

VOLKS­PO­LI­ZEI 1985 – am Fr, 27.10.2017

EISEN­ZEIT – am Mi, 22.11. mit Filmgespräch

im Rah­men der Rei­he „Aus ver­gan­ge­ner Zukunft“ anläss­lich des 100. Jah­res­tags der Okto­ber­re­vo­lu­ti­on – Kino Kro­ko­dil, 19.10.–29.11.2017

Dabei fällt mir eine ganz ande­re Geschich­te ein, eine zu Doku­men­tar­film über­haupt. War­um man das über­haupt macht. Machen muss.

Der rand­stän­di­ge Pla­net erwies sich näm­lich als Zumu­tung. Die als riva­li­sie­ren­de Gangs ihn bewoh­nen­den, zot­ti­gen, streng rie­chen­den Affen­ar­ti­gen hat­ten das Raum­schiff auf der Lich­tung im Wald umzin­gelt und als ers­tes die gera­de aus­ge­la­de­nen glän­zen­den Alu­mi­ni­um­kis­ten in die Tie­fe des Wal­des geschleppt, um sie dort mit Knüp­peln und Stei­nen zu trak­tie­ren bis ihre Schar­nie­re bra­chen. Sie ver­teil­ten die in den Kis­ten gefun­de­nen Gerät­schaf­ten des­in­ter­es­siert im Unter­holz, behiel­ten, was ihnen nütz­lich oder als Schmuck erschien. Als sich der Raum­fah­rer in der Schleu­se bli­cken ließ, bewar­fen sie ihn unter gel­len­den Schrei­en mit Knüp­peln, Stei­nen und Exkre­men­ten und erst mit der Dun­kel­heit zogen sie sich schnat­ternd wie­der in den Wald zurück, um mit Son­nen­auf­gang zurück­zu­keh­ren, das Schiff erneut zu bela­gern. Sie waren sehr unan­ge­neh­me Geschöp­fe. Der Raum­fah­rer war bald ver­zwei­felt. Seit Tagen, die er auf die­sem gott­lo­sen Pla­ne­ten ver­brach­te, war es ihm nicht gelun­gen sich auch nur Schrit­te von sei­nem Schiff zu ent­fer­nen, auch nur irgend­ei­ne Beob­ach­tung anzu­stel­len, eine Unter­su­chung des Pla­ne­ten zu begin­nen. Schei­ße flog ihm entgegen.

Stets waren die­se Vie­cher aus dem Wald gestürmt und über ihn her­ge­fal­len wie begos­se­ne Grem­lins und hat­ten ihn keckernd aus­ge­lacht, an sei­nem Anzug gezupft oder ihn frech ange­pisst. Nichts hat­te gefruch­tet, sie zu besänf­ti­gen, kein Zucker, kei­ne Kek­se, kei­ne Tuben­nah­rung. Der Raum­fah­rer, lag schlaf­los in der klei­nen Kabi­ne, öff­ne­te dann eine sei­ner in die Frem­de geschmug­gel­ten Rot­wein­fla­schen und dach­te nach.

Am nächs­ten Mor­gen war das Raum­schiff ver­schwun­den. Ein wei­ßer Kon­dens­strahl wies noch zum Hori­zont, dort­hin, wo ein blass­ro­sa Gebir­ge schnee­be­deckt in den Him­mel wuchs. Die Affen­ar­ti­gen hock­ten brab­belnd auf der Lich­tung, blick­ten der Rake­te nach.

Hoch oben im Gebir­ge hock­te der Raum­fah­rer auf baum­lo­sen Grund und wusch an einer Quel­le sei­ne farb­ver­schmier­ten Hän­de, lief dann am Ein­gang der Höh­le vor­bei, zurück zu sei­nem Schiff. Im Vor­bei­ge­hen erhasch­te er noch kurz einen letz­ten Blick auf sein Werk, die rie­si­ge Micky­maus auf einem gol­de­nen Nacht­topf, eine Zwil­le in den Hän­den, mit der sie auf ein schwar­zes Kat­zen­tier ziel­te. Und er wuss­te, wenn er eines Tages wie­der­kehr­te aus dem Wurm­loch auf die­sen blö­den Pla­ne­ten, auf dem dann zig Jahr­tau­sen­de ver­gan­gen waren, die ihn selbst kaum berührt hat­ten, wür­de er in fra­gen­de, inzwi­schen wohl men­schen­ar­ti­ge Gesich­ter bli­cken, in eine gro­ße, dümm­li­che Ehr­furcht. Er wür­de ihnen nichts sagen. Er wür­de ihnen die Beschäf­ti­gung gön­nen. Sei­ne Rache. Sein Geschenk. (Tho­mas Heise)