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„Tom Shovals Dokumentarfilm A LETTER TO DAVID“ – schreibt Chris Schinke in ihrer Kinostart-Besprechung – „setzt eine filmische Geste zentral, die so mancher ernüchterte Beobachter des Nahostkonfliktes hoffnungslos naiv finden mag, andere werden sie als notwendiges Zeichen lesen, niemals aufgeben zu dürfen: Es ist die – fiktive – Umarmung zweier Brüder, die sich zwei Jahre nach dem 7. Oktober und nach der Entführung des einen wiedersehen und sich endlich wieder in den Armen halten dürfen. (…) Wie auch immer sich die Ereignisse der aktuell im Kontext der durch die US-Regierung dirigierten Friedensverhandlungen entwickeln mögen A LETTER TO DAVID ist bereits jetzt ein zeithistorisch bedeutendes filmisches Dokument, das die Frage aufwirft, ob unter gewissen Umständen nicht gar eine Pflicht zur Hoffnung besteht. Ob von der Wirklichkeit eingelöst oder nicht, das Bild der sich bei ihrem Wiedersehen umarmenden Brüder wird symbolisch fortbestehen.“ (TAZ, 07.10.25) Dass David Cunio kaum eine Woche später, am 13. Oktober 2025, mit seinem Bruder Ariel im Zuge der Freilassung der letzten überlebenden Geiseln freigekommen und die Familie inzwischen wieder vereint ist, gleicht nach 738 Tagen Gefangenschaft, Ungewissheit und unendlichem Schmerzen einem Wunder. „Mein Wunsch ist einfach nur, dass (David Cunio) freikommt,“ – hatte Tom Shoval in einem Interview zur Berlinale-Premiere gesagt – „dass er Gelegenheit hat, diesen Film zu sehen. Ich möchte, dass er ihn sieht. Wenn er zurückkommt, wird dieser Film eine richtige Schlussszene bekommen.“ (Jüdische Allgemeine, 17.02.25) David.Cunio.is.home: Schauen Sie den Film am 09.11. in diesem neuen Licht!
zum Film:
A Letter To David (מכתב לדויד)
Israel / USA 2025, 74 min, Hebräisch mit deutschen UT
Regie: Tom Shoval
Mit A LETTER TO DAVID kehrt Regisseur Tom Shoval mit einem zutiefst bewegenden, persönlichen Dokumentarfilm auf die internationale Bühne zurück – ein Werk, das auf schmerzhafte Weise aktueller nicht sein könnte. Im Zentrum steht David Cunio, einer der Zwillingsbrüder, die 2013 Shovals gefeiertes Spielfilmdebüt YOUTH (Berlinale Panorama) prägten – eine Geschichte über zwei Brüder, die aus Verzweiflung eine Entführung begehen. Heute ist das Thema keine Fiktion mehr.
Am 7. Oktober 2023 wird David Cunio gemeinsam mit seiner Familie von Hamas-Terroristen aus dem Kibbuz Nir Oz verschleppt. Seine Frau und die kleinen Töchter kommen nach 52 Tagen frei. David hingegen ist – bis heute – Geisel und Opfer des Terrors, tot oder lebendig. Shoval, langjähriger Weggefährte der Brüder, antwortet mit einem filmischen Essay – einem Brief an einen Freund, einen Schauspieler, einen Bruder. Dabei verwebt er auf berührende Weise Archivaufnahmen, unveröffentlichtes Behind-the-Scenes-Material aus YOUTH, Homevideos, Erinnerungen der Familie Cunio und Interviews mit Davids Zwillingsbruder Eitan, der in Israel auf seine Rückkehr wartet. Was entsteht, ist ein multiperspektivisches Erinnerungsbild – eine eindringliche Reflexion über das fragile Zusammenspiel von Realität und Fiktion, über Krieg, Trauma und die unaufhörliche Sehnsucht nach Normalität.
Die filmische Reise beginnt mit den ersten Casting-Aufnahmen der Brüder – junge Männer, mit stiller Präsenz, Verbundenheit und einer unbeschwerten Neugier fürs Leben. Der Film dokumentiert ihre gemeinsame Entwicklung, von Jugendlichen mit Filmambitionen zu Vätern und Ehemännern – und konfrontiert diese Vergangenheit mit der zerstörten Gegenwart ihres Heimatorts Nir Oz, einem der am härtesten getroffene Orte des Massakers vom 7. Oktober.
Doch A LETTER TO DAVID ist mehr als ein Porträt eines Entführten. Es ist ein zutiefst menschlicher, politisch aufgeladener Appell gegen das Vergessen, ein Gedenken an alle Geiseln und Opfer dieses Krieges – in Gaza wie in Israel – und ein filmisches Mahnmal gegen die Brutalisierung der Realität.