Amsel im Brom­beer­strauch / შაშვი შაშვი მაყვალი

Geor­gi­en / Schweiz 2023, 110 min, geor­gi­sche Ori­gi­nal­fas­sung mit deut­schen UT

Regie: Ele­ne Naveriani 

Ete­ro geht auf die 50 zu und betreibt einen klei­nen Laden in einem abge­le­ge­nen geor­gi­schen Dorf. Gehei­ra­tet hat sie aus Über­zeu­gung nie, stets zufrie­den mit sich und ihrem unge­bun­de­nen ruhi­gen Leben. Zwar begeg­net man ihr im Dorf immer wie­der mit Her­ab­las­sung und Spot, doch Ete­ro liebt ihre Frei­heit unbe­irr­bar. Dann aber weckt ein Unfall in ihr eine Sehn­sucht, die sie bis dahin nicht ver­spürt hat. Uner­war­tet ver­liebt sie sich lei­den­schaft­lich in einen Mann und steht plötz­lich vor der Ent­schei­dung, eine Bezie­hung ein­zu­ge­hen oder an ihrer Unab­hän­gig­keit fest­zu­hal­ten. Ete­ro muss ihre Gefüh­le und Bedürf­nis­se neu ent­de­cken, um her­aus­zu­fin­den, wie ihr eige­ner Weg zum Glück aus­se­hen kann.

„Regis­seu­rin Ele­na Naver­ia­ni ver­steht es, uns an der Nase her­um­zu­füh­ren. In ihrem drit­ten Spiel­film täuscht sie zunächst eine Bal­la­de über eine Dorfro­man­ze an, um dann vol­ler Freu­de die Gren­zen des Gen­res auf­zu­spren­gen und in ein bun­tes Kalei­do­skop der Viel­schich­tig­keit zu tau­chen: Ist für Ete­ro eine Bezie­hung zu einem Mann wirk­lich mehr wert als ihre kost­ba­re Unab­hän­gig­keit, die sie sich so hart erkämpft und erar­bei­tet hat? Getra­gen wird die­se inne­re Rei­se von einer ein­zig­ar­ti­gen schau­spie­le­ri­schen Per­for­mance von Eka Chav­leish­vi­li, die Ete­ros Gewis­sens­bis­se mit gro­ßer Glaub­haf­tig­keit spielt. Viel­leicht kommt ihr gro­ßer Rit­ter mit einem Last­wa­gen zu ihr, aber wer weiß, ob Frei­heit und Glück immer mit dem Gefühl der Lie­be ein­her­ge­hen müs­sen. Sol­che Fra­gen stellt die­ser herr­lich wei­se und rei­fe Film, der auf dem letz­ten Can­nes-Fes­ti­val in der Sek­ti­on ‚Quin­zai­ne des Ciné­as­tes‘ urauf­ge­führt wur­de.“ (Around The World in 14 Films 2023)

„Still in einem sin­nen­star­ken Allein­sein, das aber kei­ne Ein­sam­keit ist, und vor allem ohne Illu­sio­nen über die patri­ar­cha­len Nor­men ihrer Umwelt, erfährt die 48-Jäh­ri­ge spät ero­ti­sche Eman­zi­pa­ti­on abseits jeder Tor­schluss­pa­nik. Die unter­kühl­te Lako­nie der Insze­nie­rung zwi­schen Creme­schnit­ten und pro­vin­zi­el­ler Enge unter­schlägt nicht die Ver­let­zun­gen eines solch eigen­sin­ni­gen Lebens und gönnt sich den Luxus ele­gan­ter Zwi­schen­tö­ne.“ (Ste­phan Set­te­le, Vien­na­le 2023)

„In Geor­gi­en, einem Land, in dem die tra­di­tio­nel­len Erwar­tun­gen an Frau­en oft erdrü­ckend und fest ver­an­kert sind, steht die Prot­ago­nis­tin Ete­ro vor der gro­ßen Her­aus­for­de­rung, ihr indi­vi­du­el­les Glück inmit­ten einer patri­ar­chal domi­nier­ten Gesell­schaft zu fin­den. Die Schrift­stel­le­rin Tam­ta Melaschwi­li und Film­re­gie- und ‑autoren­per­son Ele­ne Naver­ia­ni geben einer Frau eine Stim­me, die in her­kömm­li­chen Erzäh­lun­gen oft mar­gi­na­li­siert oder gar nicht erst gehört wird. AMSEL IM BROM­BEER­STRAUCH ver­webt geschickt die Fra­ge, inwie­weit sich Frau­en über tra­di­tio­nel­le Rol­len­bil­der wie Mut­ter­schaft und Ehe defi­nie­ren las­sen soll­ten, mit der kraft­vol­len Vor­stel­lung, dass es mög­lich ist, abseits die­ser Erwar­tun­gen ein unab­hän­gi­ges, eman­zi­pier­tes Leben zu füh­ren – und dabei tie­fes Glück und Erfül­lung zu emp­fin­den. Und manch­mal ist die­ses Glück ein­fach nur ein Stück Kuchen.“ (Sophia Der­da, kino​-zeit​.de)