D 1990, 86 min, deutsche Originalfassung mit engl. UT
Regie: Konstanze Binder, Lilly Grote, Ulrike Herdin, Julia Kunert
Vorstellung des CineZine1 zu BERLIN, BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE 1990 – mit einem ausführlichen Text zum Film, einem Gespräch mit der Kamerafrau Julia Kunert (1953–2022), Fotos von den Dreharbeiten 1990, Skizzen sowie ausführlichen Biografien der Macherinnen etc. (Hg. M. Bernstorff)
Zu Gast: Teodora Ansaldo, Madeleine Bernstorff, Lilly Grote
Juni 1990, am Bahnhof Friedrichstraße wird die Grenze abgebaut. Die Welt gerät aus den Fugen und wird neu zusammengesetzt. Vier Filmemacherinnen aus West- und Ostdeutschland wollen diesen historischen Moment festhalten: den Fluss der Reisenden, die Gedanken und Sorgen der Passant*innen, das ratlose Gesicht eines Zollbeamten. BERLIN, BAHNHOF FRIEDRICHSTRASSE 1990 ist ein bedeutendes Zeitdokument und gleichsam ein audiovisuelles Archiv, das die schwindelerregenden Veränderungsprozesse der Zeit ungeschminkt auf Zelluloid brachte. Die Aufnahmen der Reisenden, Bahnangestellten und Intershopverkäuferinnen zeigen den Umbruch im Kleinen, der dem Fall der Mauer folgte, und die Orientierungsprobleme in einer plötzlich wieder zusammenwachsenden Stadt. (Florian Wüst, Cornelia Klauß)
„Der Film vom Umbau des Berliner Grenzbahnhofs Friedrichstraße im Sommer 1990 konstituiert in seiner eigensinnigen kollektiven Zusammenarbeit eine verschränkte, multiperspektivische Erinnerung, die in ihrer künstlerischen und selbstverständlich feministischen Anlage die Berührung freilegt, die der immer noch nicht erlöste Zusammenprall zweier Gesellschaften mit sich brachte. In einer Zeit des oft ebenso mitleidig wie arrogant in Szene gesetzten Demontage-Journalismus, der die DDR auf Zerfall und Niedergang reduzierte, arbeitet der Film gegenläufig zum damals gängigen Narrativ und wirkt heute als vorsichtige und skeptische Bestandsaufnahme umso eindrucksvoller. Die Autorinnen/Regisseurinnen/Kamerafrauen aus West und Ost bringen ihre Erfahrungen, Fragen und Arbeitshintergründe in den Film ein. Dies führt – bei aller dokumentarisch-zurückhaltenden Beobachtung – zu einem Eindruck voller Tiefe und Zwischentöne. Der Bahnhof als ein unscharfes, hyperbewegliches Bild vom Umbau einer Gesellschaft. ‚Würden Sie für Ihre Rechte auf die Straße gehen,‘ fragt Lilly Grote die Intershopverkäuferinnen. Ja, das würden sie, für ein selbstbestimmtes Recht auf Abtreibung.“ (Madeleine Bernstorff)