BLUM: MAS­TERS OF THEIR OWN DESTINY

JFBB Sek­ti­on: WETT­BE­WERB DOKUMENTARFILM

Jas­mi­la Žba­nić, BA 2024, 75 min, OmU (Eng­lisch + Deutsch), Dokumentarfilm

Ori­gi­nal­spra­che: Bos­nisch, Ser­bo-kroa­tisch, Deutsch

Eme­rik Blum, gebo­ren in Sara­je­vo, Shoa-Über­le­ben­der, grün­de­te 1951 „Ener­go­in­vest“. Damit star­te­te der Unter­neh­mer eine der erfolg­reichs­ten inter­na­tio­na­len Fir­men­ge­schich­ten des dama­li­gen sozia­lis­ti­schen Jugo­sla­wi­ens. Das Erfolgs­re­zept: Men­schen, Arbei­ter­selbst­ver­wal­tung und Inno­va­ti­on. Eine unge­wöhn­li­che Lebens­ge­schich­te und Fir­men­kar­rie­re zwi­schen Ost und West, die heu­te sehr nach­denk­lich macht.

Wann immer Blum nach dem Erfolgs­re­zept „sei­nes“ Misch­kon­zerns gefragt wur­de, hieß es im ers­ten Satz der Ant­wort: „Das ist nicht mei­ne Fir­ma“. Er leg­te Wert auf das jugo­sla­wi­sche Modell der Arbei­ter­selbst­ver­wal­tung, bei denen Arbei­ter­rä­te die Stra­te­gie ihrer Fir­men mit­be­stimm­ten und die Direktor:innen wähl­ten. Damit dies best­mög­lich klap­pen konn­te, inves­tier­te Ener­go­in­vest viel in die Aus­bil­dung der Beleg­schaft, was auch der gesell­schaft­li­chen Ent­wick­lung des im Zwei­ten Welt­krieg völ­lig zer­stör­ten Bos­ni­ens half. Zum Fair­ness- und Chan­cen­gleich­heits­ge­bot gehör­te auch eine hohe Frau­en­quo­te in der Beleg­schaft und die Gleich­be­zah­lung von Frau­en und Männern.

Jas­mi­la Žba­nić ver­sam­melt in ihrem Doku­men­tar­film Inter­views mit Zeitgenoss:innen, Archiv­ma­te­ri­al und Aus­schnit­te aus Fern­seh­in­ter­views, um an Blum und das Modell der jugo­sla­wi­schen Arbei­ter­selbst­ver­wal­tung zu erin­nern. Als größ­tes Kapi­tal der Fir­ma bezeich­ne­te er „die Men­schen“, was man­che mit Blums Erfah­run­gen aus den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern der Ustaša erklä­ren, in der er sei­ne gesam­te Fami­lie ver­lor. Und die auch dazu führ­te, dass Ener­go­in­vest der ein­zi­ge Kon­zern in Jugo­sla­wi­en war, wo es kei­nen Mer­ce­des als Dienst­fahr­zeug gab.

Ob er mit „einem Gene­ral­di­rek­to­ren in West oder Ost“ tau­schen wol­le, wur­de Blum ein­mal gefragt, wor­auf er ant­wor­te­te, dass es ihm weni­ger um Geld und Gewinn gin­ge als um die Ent­wick­lung der Gesell­schaft. Ein­ge­bet­tet in Josip Broz Titos Initia­ti­ve der Block­frei­en-Bewe­gung, einem Zusam­men­schluss von Staa­ten vor allem des glo­ba­len Südens, die wäh­rend des Kal­ten Krie­ges weder von Mos­kau noch von Washing­ton abhän­gig sein woll­ten, wur­de Ern­er­go­in­vest zu einem welt­weit füh­ren­den Ener­gie­kon­zern. Für die inter­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on ent­wi­ckel­te man 1988 sogar ein eige­nes E‑Mail-Sys­tem. Nach sei­ner Pen­sio­nie­rung wur­de Blum in den 1980er-Jah­ren zum Bür­ger­meis­ter von Sara­je­vo beru­fen, um mit sei­ner Erfah­rung zu einer best­mög­li­chen Orga­ni­sa­ti­on der Olym­pi­schen Win­ter­spie­le 1984 zu sor­gen. Die, im Gegen­satz zu den Som­mer­spie­len 1980 in Mos­kau und 1984 in Los Ange­les, weder von der Sowjet­uni­on noch von den USA boy­kot­tiert wurden.

Bei­des – die diplo­ma­ti­sche Initia­ti­ve der Block­frei­en-Bewe­gung und das basis­de­mo­kra­ti­sche Modell der Beleg­schafts-Selbst­ver­wal­tung – fast ver­ges­sen. BLUM bringt sie wie­der auf den Tisch.

Text: Bernd Buder