Der Rhein fließt ins Mit­tel­meer (הריין זורם לים התיכון)

Isra­el 2021, 95 min, Deutsch | Hebrä­isch | Eng­lisch | Pol­nisch mit deut­schen UT

Regie: Offer Avnon 

Als Sohn eines jüdi­schen Holo­caust-Über­le­ben­den, aber auch als Per­son, die sich ent­schied, nach Deutsch­land zu emi­grie­ren, ist die­ser Film aus der klas­si­schen, „moder­nen“ euro­päisch­jü­di­schen Per­spek­ti­ve ent­stan­den: eine Per­spek­ti­ve, die von Aus­gren­zung und einer inne­ren Zer­ris­sen­heit geprägt ist. Wonach ich suche, ist das Bewusst­sein über den Holo­caust. Dies ist ein Ver­such, etwas greif­bar zu machen, was nicht greif­bar ist: Wir­kung. Im Inter­view sind mir ver­trau­te Per­so­nen, Men­schen aus mei­nem unmit­tel­ba­ren Umfeld und Men­schen, die ich getrof­fen habe, zu sehen und zu hören; wir alle sind dadurch ver­bun­den. Die Inter­views brin­gen Stim­men her­vor, die Teil einer viel­schich­ti­gen Geschich­te sind. Trotz­dem geht es nicht um die ver­ein­zel­te his­to­ri­sche Bege­ben­heit und bio­gra­phi­sche Erzäh­lung, son­dern um etwas dahin­ter. Das Bedeu­tends­te bleibt stets im Schat­ten: das Trau­ma. Daher kommt der sub­jek­ti­ve Cha­rak­ter des Films: Er ver­weist auf die star­ke Bin­dung zwi­schen uns und der Ver­gan­gen­heit. Eine Last, die wir inner­lich immer wei­ter­tra­gen. Das The­ma, so per­sön­lich und gefühls­ge­la­den es auch ist, besitzt auch heu­te noch eine signi­fi­kan­te poli­ti­sche Bedeut­sam­keit. Die eigent­li­che poli­ti­sche Rele­vanz spielt im Ver­lauf des Films eine zuneh­mend grö­ße­re Rol­le, wenn die Land­schaft lang­sam von Deutsch­land in Polen über­geht und sich mei­ner Hei­mat­stadt Hai­fa nähert, in der jüdi­sche und ara­bi­sche Men­schen Sei­te an Sei­te leben. Vor kur­zem erst wur­de die­ses poli­ti­sche The­ma hier wie­der akut, als es 2021 zu gewalt­tä­ti­gen Aus­schrei­tun­gen kam: Stra­ßen­kämp­fe, Zusam­men­stö­ße und selbst Lynch-Ver­su­che in die­ser kul­tu­rell-diver­sen Stadt, die zuvor immer für ihre fried­li­che Koexis­tenz bekannt war. Im Zuge die­ser Vor­fäl­le und der Hand­lungs­mo­ti­ve dahin­ter immer wie­der auf den Holo­caust ver­wie­sen. (Offer Avnon)

DER RHEIN FLIESST INS MIT­TEL­MEER betreibt die Sisy­phus­ar­beit einer Ver­or­tung zwi­schen Phi­lo- und Anti­se­mi­ten, Bemüh­ten und Gleich­gül­ti­gen, Erin­nern und Aus­blen­dern. Kein Bild, kein Satz, der nicht man­nig­fal­ti­ge Asso­zia­tio­nen aus­lös­te. Der Teu­fel steckt im Detail – dafür öff­net die­ser Film die Augen.“ (Chris­toph Ter­hech­te. DOK Leip­zig 2021)

„Die­ser Film ist wie der Rhein: Er fängt lang­sam und unschein­bar an, ich muss­te mich erst zurecht­fin­den in ihm, hat­te ech­te Pro­ble­me, nicht inner­lich aus­zu­stei­gen, doch von Minu­te zu Minu­te wur­de er bes­ser, also zwin­gen­der, inter­es­san­ter, abgrün­di­ger, brei­ter, riss mich mit. Man­che reden sich um Kopf und Kra­gen. Wie gesagt: Ein abgrün­di­ger tol­ler Film!“ (Rüdi­ger Suchs­land, Artechock)