DOK Leip­zig Nach­spiel: Son­nen­stadt | Vor­film: Con­tra­dic­tion of Emptiness

zum Dop­pel­pro­gramm:

SON­NEN­STADT

Deut­scher Wett­be­werb Dokumentarfilm

Deutsch­land 2024, 105 min, Rus­sisch | Deutsch | Eng­lisch mit deut­schen UT

Regie: Kris­ti­na Shtubert 

Die Win­ter in der sibi­ri­schen Tai­ga mögen lang sein, dafür liegt Mos­kau weit weg. In der end­lo­sen Land­schaft zu Füßen des öst­li­chen Sajan­ge­bir­ges hat sich Anfang der 1990er Jah­re eine Glau­bens­ge­mein­schaft rund um den ehe­ma­li­gen Ver­kehrs­po­li­zis­ten Ser­gej Torop nie­der­ge­las­sen. Nach einem Erwe­ckungs­er­leb­nis nennt die­ser sich Wis­sa­ri­on, trägt wal­len­de Gewän­der, lan­ge Haa­re und tritt als Sohn Got­tes auf Erden auf. In den Häu­sern sei­ner Anhän­ger­schaft hän­gen farb­v­er­klär­te Por­träts, auf denen „der Leh­rer“ selbst­ver­lo­ren in die Fer­ne schaut. Zusam­men erschu­fen sie den Mus­ter­ort „Wohn­stät­te der Mor­gen­däm­me­rung“, von den Ansäs­si­gen auch „Son­nen­stadt“ genannt, um eine neue Gesell­schaft auf­zu­bau­en. Fünf Mal reis­te die Regis­seu­rin Kris­ti­na Shtu­bert zwi­schen 2013 und 2022 nach Sibi­ri­en. Ihr Blick ist regis­trie­rend. Es geht weni­ger um Glau­bens- und Sinn­su­che, son­dern viel­mehr um die Fra­ge, ob die Sonnenstädtler*innen hier zufrie­de­ner sind als in ihren abge­leg­ten Leben. Und was wären ihre Alter­na­ti­ven? Mehr und mehr wird die Lang­zeit­be­ob­ach­tung zu einer post­so­wje­ti­schen Erzäh­lung vom aus­ge­blen­de­ten Staat. Wäh­rend­des­sen schrei­tet die Mili­ta­ri­sie­rung des Lan­des vor­an. Mos­kau rückt immer näher. (Anke Lewe­ke, DOK Leip­zig 24)

Vor­film:

CON­TRA­DIC­TION OF EMPTINESS

Inter­na­tio­na­ler Wett­be­werb Animationsfilm

Deutsch­land 2024, 3 min, Rus­sisch | Deutsch mit engl. UT

Regie: Iri­na Rubina 

Wie bru­tal ist es, wenn die eige­ne Spra­che jeman­den aus dem Zuhau­se ver­stößt, weil sie zur Spra­che des Ver­bre­chens gegen ande­re Men­schen gemacht wird? In ihrem auto­bio­gra­fi­schen Ani­ma­ti­ons­film ana­ly­siert Iri­na Rubi­na, war­um Rus­sisch für sie nicht mehr die Spra­che der Gebor­gen­heit sein kann und war­um Deutsch – geschichts­be­dingt schuld­be­wusst und dadurch ver­un­si­chert – ihr noch kein neu­es Zuhau­se bie­tet. Die scho­nungs­lo­se Sach­lich­keit der Regis­seu­rin als Spre­che­rin wühlt enorm auf, weil sie die Unum­kehr­bar­keit die­ses emo­tio­na­len Zustands prä­zi­se beschreibt. Visu­ell fres­sen sich dunk­le Fle­cken in gra­fisch idea­li­sier­te Hei­mat­bil­der, bis sich Flä­chen im Abs­trak­ten inein­an­der ver­bei­ßen. Die Bil­der sind am soge­nann­ten Pin­screen ent­stan­den. Auf die­ser Lein­wand, die mit rund 200.000 in Lini­en ange­ord­ne­ten Nadeln ver­se­hen ist, las­sen sich Reli­efs durch Schat­ten­wür­fe der Nadeln „malen“ und ani­mie­ren. Der Wech­sel von Licht und Schat­ten und bei­der unmit­tel­ba­re Nach­bar­schaft ver­lei­hen der Zer­ris­sen­heit und Ambi­va­lenz einen dras­ti­schen Aus­druck. (André Eckardt, DOK Leip­zig 24)