Eine Erklä­rung für alles (Magyará­z­at mindenre)

Ungarn / Slo­wa­kei 2023, 128 min, unga­ri­sche Ori­gi­nal­fas­sung mit deut­schen UT

Regie: Gábor Reisz

Eine miss­lun­ge­ne Abitur­prü­fung wird zum lan­des­wei­ten Skan­dal? Wenn es der rechts­po­pu­lis­ti­schen Regie­rung hilft, kann alles instru­men­ta­li­siert wer­den und rech­te Poli­tik hat Kon­junk­tur, in Euro­pa und weltweit.

End­lich Abitur! Aber die Abschluss­prü­fung endet für Abel in einem völ­li­gen Desas­ter. Viel­leicht war doch sei­ne Lie­be zu Jan­ka stär­ker als sein Lern­ei­fer? Oder hat ihn der Geschichts­leh­rer wegen sei­nem Ungarn-Anste­cker durch­fal­len las­sen? Sei­nem Vater erscheint die zwei­te Vari­an­te auf jeden Fall glaub­haft und die Geschich­te wird zu einem natio­na­len Skan­dal. Hat Abels Leh­rer ihn wegen sei­ner Gesin­nung durch­fal­len lassen?

Bis­si­ges und viel­schich­ti­ges Abbild eines gesell­schaft­lich gespal­te­nen Ungarns und ein Lehr­stück über den ste­tig wach­sen­den Popu­lis­mus in Europa.

„Seit lan­gem erdrückt mich die Atmo­sphä­re mei­nes geteil­ten Lan­des, die mei­nen All­tag durch­dringt. Im Jahr 2021 ver­lor die Uni­ver­si­tät für Thea­ter- und Film­kunst in Buda­pest ihre Auto­no­mie, als sie auf Anwei­sung des Staa­tes kom­plett umor­ga­ni­siert wur­de, was den Pro­fes­so­ren und Stu­den­ten über­haupt nicht gefiel. Die jun­gen Leu­te blo­ckier­ten die Uni­ver­si­tät – in Abwe­sen­heit bes­se­rer Mit­tel – und die Ereig­nis­se wur­den zu einem gro­ßen Poli­ti­kum, obwohl das ein­zi­ge Ziel der Stu­die­ren­den dar­in bestand, wei­ter­hin eine unab­hän­gi­ge Aus­bil­dung zu bekom­men. Als Fil­me­ma­cher und ehe­ma­li­ger Stu­dent der Uni­ver­si­tät schloss ich mich ihrem Kampf an, und eines Tages, auf dem Heim­weg von einer Demons­tra­ti­on, kam mir der Gedan­ke, dass wir über die Situa­ti­on, die uns umgibt, spre­chen müs­sen, und dass jede Kunst­form, auch der Film, ein Medi­um sein soll­te, um dies zu tun. Dar­aus ent­stand der Grund­ge­dan­ke für EINE ERKLÄ­RUNG FÜR ALLES.

Die Spal­tung unse­res Lan­des ist seit Jah­ren spür­bar, nicht nur im Par­la­ment, son­dern auch in den all­täg­li­chen, mensch­li­chen Bezie­hun­gen, auf der Stra­ße. Eines der aus­drucks­stärks­ten Bei­spie­le für die­sen Kon­flikt ist für mich das Tra­gen des Natio­nal­wap­pens als Anstecknadel/​Kokarde. Am Jah­res­tag des Unab­hän­gig­keits­krie­ges von 1848, einem der bedeu­tends­ten Fes­te Ungarns, ist es üblich, so eine Ansteck­na­del zu tra­gen, wobei die­se Kon­ven­ti­on mitt­ler­wei­le zu einem poli­ti­schen The­ma gewor­den ist. In den letz­ten 20 Jah­ren hat sich das Tra­gen des Natio­nal­wap­pens stark ver­än­dert. Wo es vor­mals für die unga­ri­sche Unab­hän­gig­keit und die Ver­bun­den­heit mit unse­rem Land stand, wird es heu­te vor allem von den Natio­na­lis­ten auf ihren Par­tei­ver­samm­lun­gen und Umzü­gen zur Schau gestellt. Heu­te ist es so: wer die Ansteck­na­del nicht trägt, gilt als jemand der gegen die Nati­on ist. Die Situa­ti­on hat sich so zuge­spitzt, dass kaum ein Tref­fen von Freun­den oder Fami­li­en­mit­glie­dern mehr statt­fin­den kann, ohne dass es zu Dis­kus­sio­nen dar­über kommt, wer auf wel­cher Sei­te steht, und dadurch inter­es­sie­ren sich die Men­schen immer weni­ger für die Mei­nung ande­rer und sind immer weni­ger bereit, sich gegen­sei­tig zuzu­hö­ren. Ich glau­be aber, wenn die nor­ma­le mensch­li­che Kom­mu­ni­ka­ti­on auf­hört, kann sich nie­mand wei­ter­ent­wi­ckeln, denn das ist eine der Grund­la­gen für eine lebens­wer­te Gesell­schaft. Mei­ne ehe­ma­li­ge Pro­fes­so­rin und Co-Dreh­buch­au­torin Éva Schul­ze und ich haben davon aus­ge­hend im Jahr 2021 begon­nen EINE ERKLÄ­RUNG FÜR ALLES zu ent­wi­ckeln. Ein wich­ti­ger Aspekt wäh­rend des Schreib­pro­zes­ses war es, die Absich­ten und die Ver­lo­ren­heit bei­der Sei­ten zu ver­ste­hen und zu ver­an­schau­li­chen.“ (Anmer­kung des Regisseurs)