Italien/ Polen 2022, 86 min, OmdU
Regie: Jerzy Skolimowski
EO hat nicht nur einen Hauptdarsteller, sondern gleich sechs. – Sechs Esel, die auf der Leinwand einen verkörpern: den Esel Eo, dessen Odyssee der polnische Regisseur in seinem so eigenwilligen wie visuell kraftvollen – da aus der Perspektive des Tieres gefilmten – Spätwerk nachzeichnet. Inspiriert von Robert Bressons AU HASARD BALTHAZAR (1966) zeigt Skolimowski eine Abfolge von Leidensbegegnungen, Glücksmomenten und surrealen Situationen zwischen Zirkus und Schlachthof; immer aus der Sicht des Tieres, der nicht selten eine gewisse Melancholie zu eigen ist. (Sascha Rettig, Viennale 22)
“Der Weg des Esels degradiert alles Menschliche zur Episode. Der Weg des Esels führt am Ende immer nur zum Esel. Das Besondere an diesem Tier, denkt man irgendwann, hat mit seinen Augen zu tun. Wie bei Pferden oder Kühen liegen sie eher seitlich als frontal am Kopf. Wenn ein Esel von vorn gefilmt wird, und in EO geschieht das oft, scheint einen das Tier deshalb gleichzeitig an- und an einem vorbeizuschauen. Wenn sich die Kamera hingegen für ein Auge und also eine Kopfseite entscheidet, bleibt die andere logischerweise außen vor. Den ganzen Esel bekommt der Blick nicht zu fassen. Es gibt ein Reservoir der Privatheit im Esel, das sich der Annäherung an ihn widersetzt. Mit einem Esel kann man keine TikTok-Katzenvideos drehen. (…) Die vielleicht schönste Sequenz des Films beginnt damit, dass Eo, selbst in einen Viehanhänger gesperrt, einen Blick auf eine Gruppe von Pferden erhascht, die über eine Wiese galoppieren. Diesem Blick folgend und also die Subjektivität des Esels übernehmend – eine weitere krasse Differenz zu Bresson, für dessen stets nur über die physische Erscheinung die Transzendenz anvisierenden Filme schon das Innenleben von Menschen, erst recht das von Eseln unzugänglich ist – schwebt die Kamera zu den kraftvoll ins Freie eilenden Geschöpfen, gleitet mit einem fast schon fetischisierenden Blick an ihrer glänzenden Haut und der exakt definierten Muskulatur entlang. Ein wenig später wird Eo im Stall neben einem majestätischen, wie von innen leuchtenden Schimmel einquartiert. Ein paar Minuten lang scheinen sich die Grenzen zwischen Esel und Pferd, zwischen realen und imaginären Tierkörpern in ein phantasmatisches Licht-und-Schattenspiel aufzulösen. Das Pferd ist, so scheint es, das unerreichbare Ich-Ideal des Esels. (…) Im Blick des Esels auf das Pferd formt sich das Versprechen auf eine bessere Welt.” (Lukas Foerster, filmdienst.de)
„Unberechenbar war Skolimowski schon immer seit seinen Anfängen in den 60er Jahren im sozialistischen Polen (…). Bei EO arbeitet er nun erneut mit seiner Ehefrau Ewa Piaskowska (…). Das Ergebnis ist visuell faszinierend und in seiner Empathie mit dem Tier gänzlich ungebrochen, ohne kitschig zu werden. Wie ein Fremdkörper wirken lediglich die Szenen mit Filmstar Isabelle Huppert, die in einer Nebenrolle als Gräfin in Italien auftritt. Doch selbst ihr gelingt es nicht, dem graupelzigen Hauptdarsteller die Schau zu stehlen.“ (Thomas Abeltshauser, epd-film.de)