Gun­di Gundermann

DDR 1982, 74 min, deut­sche Originalfassung

Regie: Richard Engel

Der Film wur­de ein­mal nachts im DDR-Fern­se­hen Ende Janu­ar 1983 gesendet.

zur Ver­an­stal­tung:

GUN­DI GUN­DER­MANN, PAR­TI­SAN der UTO­PIE und PLEBEJER

Tage­bau­ar­bei­ter und Poet

ZWEI FIL­ME   –  ZWEI GESELLSCHAFTEN

GUN­DI GUN­DER­MANN DFF 1982, Buch und Regie: Richard Engel

und

GUN­DER­MANN – ENDE DER EISEN­ZEIT, Richard Engel/­Busch­Funk-Pro­duk­ti­on 1999, Buch und Regie: Richard Engel / Mit­ar­beit: Petra Kelling

UND eines Tages steigt er aus sei­nem Raum­schiff: Ger­hard Gun­der­mann, der bei­de Deutsch­lands ver­maß; zu Fuß, per Fahr­rad, in sei­nem Sko­da Okta­via, mit sei­nem Bag­ger und in sei­nen Träu­men und Visio­nen. UND mal schwei­gend, schrei­bend, sin­gend, arbei­tend im Schicht­sys­tem, spie­lend auf der Büh­ne in Hoyers­wer­da – durch­kreuz­te und durch­schau­te er Zusam­men­hän­ge. UND er konn­te sei­nen Rand nicht hal­ten; was ihm viel Ärger ein­brach­te. Ein Par­ti­san der Uto­pie, der die Tren­nung von Kunst und Arbeit nicht akzep­tier­te und sei­nen Bei­trag leis­te­te durch dop­pel­te ARBEIT, bei­des gehör­te für ihn untrenn­bar zusam­men. UND er ist nicht von die­ser Welt. Gun­di geht durch kei­ne Tür. Er ist zu sper­rig, reißt Türen weit auf und rennt gegen Wän­de und holt sich Beu­len, wo kei­ne Türen sind, wo Starr­heit, Sta­gna­ti­on, Eng­stir­nig­keit, feh­len­de Dia­lek­tik, Man­gel an Visio­nen und wenig Mensch­lich­keit herr­schen, sucht er zu über­zeu­gen, zu über­lis­ten. Aber: wo eine Tür zugeht, geht auch eine Tür wie­der auf – das Prin­zip Hoffnung!

UND jeden Tag „ich schlürf ihn aus bis zum letz­ten Zug, ich will das alles hier haben und immer wie­der und nie genug“

UND „so wird es tag/​und nicht anders/​so wird es ein leben/​, wenn wir nicht wie tote flie­gen kleben/​an dem süßen leim zu dem man schick­sal sagt

wenn die stein­ge­sich­ter einen traum verderben/​bitt ich gott und den aus dei­nem tiefs­ten herz/​also mach die stein­ge­sich­ter schon zu scherben/​oder vege­tie­re traum­los rentenwärts

wenn die eisen­vö­gel wie­der kin­der schlagen/​bitt ich gott es mögen dies­mal dei­ne sein/​also musst du nun die eisen­vö­gel jagen/​und vom him­mel holen oder bleibst allein“

UND Gun­der­mann war auch vor Ver­geb­lich­keit nicht gefeit, aber trotz alle­dem wag­te er alles, setz­te er sich klug und mit List für eine bes­se­re Welt, in der jeder Mensch einen Platz hat, ein: alle oder kei­ner, Marx‘ KEI­NER oder ALLE gebrauchend.

UND so ist auch der Film­re­gis­seur Richard Engel der Mei­nung, dass es jeder Mensch wert ist, dass ein Film über ihn gemacht wird. Und so ent­stan­den zwei Film­por­träts über Ger­hard Gun­der­mann, eines 1982 als Richard Engel auf Gun­der­mann auf­merk­sam wur­de durch des­sen Inter­pre­ta­ti­on des Jara­ma­front-Lie­des; mit die­sem melan­cho­li­schen Pathos zwi­schen Bob Dyl­an und Ernst Busch. Und das zwei­te 1999, nach­dem Gun­di sei­ne Arbeit, die ihm so wich­tig war, ver­lor. Richard Engel wag­te die Ver­wirk­li­chung sei­nes Traums von unent­frem­de­ter Pro­duk­ti­on: vom Mög­li­chen im Wirk­li­chen. Arbei­tend zwi­schen den Zwän­gen der Kul­tur­po­li­tik des 11. Ple­nums des ZK der SED, die Schwie­rig­kei­ten hat­te mit der Wahr­heit und sei­ner Visi­on vom Sozia­lis­mus. UND es tra­fen sich zwei Gleich­ge­sinn­te und wur­den Freun­de. Gun­di Gun­der­mann fas­zi­nier­te den Regis­seur und Por­trä­tis­ten Richard Engel „durch sei­ne Lie­der und durch sei­ne poe­tisch-poli­ti­schen Zwi­schen­tex­te und durch sei­ne Vor­ah­nun­gen und sei­ne Fähig­keit, die übli­che Tren­nung von Arbeit und Kunst (Frei­zeit, Arbeit und Fei­ern c.b.) auf­zu­he­ben und durch sei­ne Lebens­art und durch sei­ne ihm eige­ne Ver­bin­dung von Komik und Tra­gik, Pro­vin­zia­li­tät mit unend­li­chen Sci­ence-Fic­tion-Wel­ten (mit die­sem, nicht von die­ser Welt-sein c.b.) ganz selbst­ver­ständ­lich zu ver­mi­schen.“ R.E.

Engel woll­te mit sei­nem „Arbei­ter­por­trät“ das Fern­se­hen der DDR lebens­na­her und wirk­lich­keits­wah­rer für ein brei­tes Publi­kum machen. UND in dem zwei­ten Doku­men­tar­film nach dem Epo­chen­bruch, wie es Käthe Rei­chel nann­te, waren die Zwän­ge eben­so groß und der RBB been­de­te die Zusam­men­ar­beit. Und Klaus Koch vom Busch­Funk ermög­lich­te die Wei­ter­ar­beit an dem zwei­ten Por­trät­film und so ent­stand: GUN­DER­MANN – ENDE DER EISEN­ZEIT 1999.

Der Film­abend mit bei­den Por­trät­fil­men dient dem ERIN­NERN und er soll eine leben­di­ge Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Publi­kum beflü­geln und die Ver­gan­gen­heit dem Ver­ges­sen entreißen.

Hei­ner Mül­ler: „Die Wider­ge­burt des Revo­lu­tio­närs aus dem Geist des Par­ti­sa­nen. Mag der Par­ti­san in einer Indus­trie­ge­sell­schaft ein Hund auf der Auto­bahn sein. Es kommt dar­auf an, wie vie­le Hun­de sich auf der Auto­bahn ver­sam­meln.“ (H. Mül­ler: Krieg ohne Schlacht)

Ich hat­te ges­tern einen blin­den Traum/​wir stopp­ten die maschinen/​am brun­nen vor dem tore unterm lindenbaum/​und hüpf­ten aus den schienen“

„sag, woll­test du nicht noch mal an den strip­pen zieh/​und woll­test du nicht noch, dass die kip­pen blühn/​wolltest du nicht noch das schwert vom him­mel waschen/​wolltest du nicht noch den krebs in eisenflaschen/​wolltest du nicht noch nach mei­nem namen fragen/​und ein tänz­chen wagen …“ (Gun­der­mann: Oweho­w­eh und Sag woll­test du nicht noch)

UND im Anschluss fin­det ein Gespräch mit dem Regis­seur statt.

(Chris­ti­ne Boyde)