Luft­krieg – Die Natur­ge­schich­te der Zerstörung

Deutsch­land / Nie­der­lan­de / Litau­en 2022, 109 min, deutsch | eng­lisch mit dt. UT

Regie: Ser­gei Loznitsa 

  Inspi­riert von W. G. Sebalds Buch „Luft­krieg und Lite­ra­tur“ und anhand von Archiv­ma­te­ri­al setzt sich der ukrai­ni­sche Regis­seur mit dem Aus­maß der Zer­stö­rung deut­scher Städ­te im Zwei­ten Welt­krieg und ent­schei­den­den ethi­schen The­men aus­ein­an­der: Ist es mora­lisch ver­tret­bar, die Zivil­be­völ­ke­rung als Mit­tel im Krieg ein­zu­set­zen? Ist es mög­lich, Mas­sen­ver­nich­tung mit höhe­ren „mora­li­schen“ Idea­len zu rechtfertigen?

“Nicht zuletzt auf­grund der her­vor­ra­gen­den Restau­rie­rung des Mate­ri­als sind Loznit­s­as Bil­der von scho­ckie­ren­der Ein­dring­lich­keit, vor allem Auf­nah­men ver­zwei­felt umher­ir­ren­der Men­schen, wie sie die Nazis selbst­ver­ständ­lich nicht ver­öf­fent­lich­ten, wir­ken teils so gegen­wär­tig, als könn­ten sie auch aus Syri­en oder der Ukrai­ne stam­men. Zwar flicht Loznit­sa ein­zel­ne poli­ti­sche State­ments zum Bom­ben­krieg mit ein – Anspra­chen von Mont­go­me­ry, Chur­chill und von Luft­mar­schall Arthur Har­ris, dem berüch­tig­ten »Bom­ber-Har­ris«, auf der einen und von Goe­b­bels auf der ande­ren Sei­te –, doch ansons­ten ent­hält er sich jeder Ein­ord­nung. So bleibt immer wie­der unge­wiss, ob man gera­de deut­sches oder bri­ti­sches Film­ma­te­ri­al sieht oder in wel­cher Stadt man sich befin­det. Nur gele­gent­lich erkennt man mal die Rui­nen­land­schaft Dres­dens oder das Münch­ner Rat­haus, dann sind plötz­lich zwi­schen bren­nen­den Häu­sern Sol­da­ten in bri­ti­schen Uni­for­men zu sehen.

Loznit­s­as fas­zi­nie­ren­der fil­mi­scher Essay wird pas­send zu sei­nem Titel zu einer fast abs­trak­ten, zeit­lo­sen Refle­xi­on von Krieg und Zer­stö­rung und vom Leid von Zivi­lis­ten als Kon­stan­te der Geschich­te. Dass er dabei die­ses Bei­spiel gewählt hat und ohne Kon­tex­tua­li­sie­rung (fast) aus­schließ­lich vom Leid der deut­schen Bevöl­ke­rung erzählt, die das Nazi­re­gime und den Krieg in der Mehr­heit bis zum bit­te­ren Ende mit­ge­tra­gen hat, wäh­rend er kein Wort über Guer­ni­ca, War­schau oder Rot­ter­dam ver­liert – das ist sehr kon­se­quent, aller­dings auch dis­kus­si­ons­wür­dig.” (Patrick Sey­bo­th, epd​-film​.de)