WAS VON GESCHICHTE ÜBRIG BLEIBT – Filme über die Aufstände in der DDR, Polen und Ungarn im Vergleich zwischen Fakten und Fiktion
GOOD BYE, LENIN! trifft auf Streikproteste in den Danziger Werften. Was ist übrig geblieben von den Aufständen gegen die kommunistischen Diktaturen in DDR, Polen und Ungarn? Vom intimen Porträt der eigenen Familiengeschichte bis zu ungekannten Heldinnen stellen die Filme die Frage: Wie wird Geschichte neu interpretiert, und warum? Hochrelevant im Angesicht wiedererstarkender totalitärer Strukturen in Osteuropa.
Das FilmFestival Cottbus (FFC) gastiert am 15.+17+21.11. im Krokodil und präsentiert drei Programme aus der Sektion „Was von Geschichte übrig bleibt“, kuratiert von Joshua Jádi.
Die Filmreihe wird gefördert von der Bundesstiftung Aufarbeitung.
zum Film:
Marzec ‘68 (March ‘68 / März 68)
Polen 2022, 120 min, polnische Originalfassung mit deutschen + englischen UT
Regie: Krzysztof Lang
Eine Romeo-und-Julia-Geschichte vor dem Hintergrund studentischer Unruhen und staatlichem Antisemitismus im sozialistischen Polen des Jahres 1968. Hat eine junge Liebe zwischen Hetzkampagne, Bürgermiliz und Geheimdienst-Intrige eine Chance?
Als Janek Hania auf den Straßen des nächtlichen Warschaus davor rettet, von einem Auto überfahren zu werden, ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern. Hanias Vater, ein Arzt, wurde aus fadenscheinigen Gründen entlassen. Er ist Jude und damit Opfer der antisemitischen Hetzkampagne, die im Zuge des Sechstagekrieges in fast allen Ostblock-Staaten gegen den „Zionismus“ und den „israelischen Imperialismus“ gefahren wird. Ministerpräsident Wladysław Gomułka beschuldigt die in der Volksrepublik Polen verbliebenen Juden und Jüdinnen zudem, als Agent:innen Israels und des Westens die Strippenzieher:innen der studentischen Proteste zu sein, die nach der Absetzung von Adam Mickiewicz’ Theaterklassiker „Die Ahnenfeier“ („Dziady“) wegen „antisowjetischer Tendenzen“ im März 1968 ausbrechen. Janeks Vater ist wiederum als hohes Tier im Geheimdienst maßgeblich an Repression und Gewalt gegen die Demonstrant*innen beteiligt… Aus der Perspektive eines jungen Liebespaars erzählt Regisseur Krzysztof Lang, wie Überlebende von Shoah und Ghetto mit ihren Familien zur Emigration aus ihrem polnischen Heimatland gezwungen werden. Ein Film, der das Lebensgefühl junger Leute zwischen Partys, Jazz, Romantik und Aufbruchsstimmung schildert, das jedoch von der Willkür der Staatsmacht zerstört wird. Historische Archivaufnahmen von Warschau im Jahr 1968 ergänzen den Spielfilm, der ungeschönt ein dunkles Kapitel jüngerer polnischer Geschichte aufrollt.
(Kira Taszman, FFC 2023)