Deutschland / Polen 2008, 85 min, Deutsche Fassung
Regie: Jolanta Dylewska
Die hebräischen Worte “Po-Lin” haben in Polen in den vergangenen Jahren eine eigentümliche Karriere gemacht. Sie bedeuten soviel wie: “hier nächtige”. Der Legende nach soll Jahwe den Juden, die vor den mittelalterlichen Verfolgungen aus West- und Mitteleuropa flohen, auf ihrem Weg durch Polen die Botschaft gesandt haben, sich hier niederzulassen. Heute ist “Po-Lin” die Chiffre für die erwachende Erinnerung an sieben Jahrhunderte polnisch-jüdischen Zusammenlebens und jüdischer Kultur in der Region.
Jolanta Dylewska hat Teile eines Schatzes ans Licht gehoben, die zum Teil noch nie öffentlich gezeigt wurden. Ihr Rohstoff sind zwanzig Amateurfilme, die von jüdischen Auswanderern bei späteren Heimatbesuchen in ihren polnischen Herkunftsorten gedreht wurden. Diese Besuche fanden in den Dreißigern statt. Grobkörnig und zumeist mit der Handkamera gedreht, vermitteln die Filme einen lebendigen, einen geradezu fröhlichen Eindruck von dem, was wir bisher nur von Büchern und Gemälden kannten: vom osteuropäischen Schtetl.
Wo Jolanta Dylewska jüdische Gedenkbücher aus diesen Orten gefunden hat, konnte sie manche der gefilmten Personen namentlich identifizieren. Schließlich fuhr sie selbst in diese Kleinstädte – Kolbuszowa, Zareby, Kaluszyn – und befragte die heutigen Einwohner. Ein Gedenkbuch eigener Art ist damit entstanden: Alte polnische Männer und Frauen kneifen die Augen zusammen und lassen die Erinnerung sprechen.
“Ein einzigartige vitales Bild von der Welt galizischer Juden. Das war eine andere Welt voller Toleranz, Mitmeschlichkeit, Verständnis.” (Voice)
“Ungewöhnlich ist dieser Film, weil er sich weniger auf Geschichtsbücher und Statistiken verlässt, sondern auf jene Art der Erinnerung, wie sie familiär weitergegeben wird – die Erinnerung aus der konkreten Anschauung, aus der “Mikroperspektive”, wie man akademisch sagen würde: Amateurfilme amerikanischer Juden auf Heimatbesuch aus den Jahren 1929 bis 1937 werden hier verknüpft mit Erzählungen letzter Zeitzeugen, die als Kinder noch das Miteinander von Juden und Polen erlebt haben.” (Berliner Zeitung)
“Dokumentarfilme über den Massenmord der Nazis an den Juden gibt es in grosser Zahl. Ganz im Gegensatz dazu ist Filmmaterial über jüdisches Leben in den Jahren zuvor in Polen – wo vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs mehr Juden lebten als in jedem anderen Land Europas – eine absolute Rarität. Es ist nur einigen in die USA ausgewanderten polnischen Juden zu verdanken, dass es überhaupt Bilder davon gibt. Ausgestattet mit Film- und Fotokameras, dokumentierten diese erfolgreichen Auswanderer bei Besuchen in ihrer alten Heimat den Alltag in den Schtetln Polens, zeigten ein Leben, das sie zurückgelassen hatten. Eine Auswahl aus diesen einzigartigen Dokumenten, entstanden zwischen 1929 und 1937, hat die 1958 geborene polnische Regisseurin und Kamerafrau Jolanta Dylewska unter dem Titel “Po-lin” (hebräisch: “hier bleiben wir”) zum Porträt einer Kultur gestaltet, die wenige Jahre später vernichtet wurde.” (Neue Zürcher Zeitung)