Shi­kun עדיין לא מאוחר

Isra­el / Frank­reich / Ita­li­en / Schweiz 2024, 85 min, Hebrä­isch | Ara­bisch | Fran­zö­sisch | Jid­disch | Ukrai­nisch mit deut­schen UT

Regie: Amos Gitai

Der Film ist inspi­riert von dem Thea­ter­stück Die Nas­hör­ner von Eugè­ne Iones­co und erzählt uns die Ent­ste­hung von Into­le­ranz und tota­li­tä­rem Den­ken anhand einer Rei­he all­täg­li­cher Epi­so­den, die sich in einem Sozi­al­bau am Ran­de der Wüs­te von Be´er-Sheva in Isra­el abspie­len. Men­schen mit unter­schied­li­cher Her­kunft und Spra­che, ein Quer­schnitt der israe­li­schen Gesell­schaft, bewoh­nen das SHI­KUN – Gebäu­de. Eini­ge von ihnen wer­den sich in Nas­hör­ner ver­wan­deln, aber ande­re wer­den Wider­stand leis­ten. Eine iro­ni­sche Meta­pher für das Leben in unse­ren moder­nen Gesellschaften.

„1957 wur­de Eugè­ne Iones­cos Die Nas­hör­ner urauf­ge­führt und schnell als Refle­xi­on über den zuneh­men­den Tota­li­ta­ris­mus inter­pre­tiert. Die Nas­hör­ner, in die sich nach und nach die meis­ten Figu­ren ver­wan­del­ten, stan­den sym­bo­lisch für das Her­den­den­ken viel zu vie­ler Men­schen, die ihren Füh­rern gedan­ken­los folg­ten. Damals spiel­te Iones­co auf die fran­zö­si­sche Öffent­lich­keit an, die den Ver­bre­chen, die ihr Land in Alge­ri­en ver­üb­te, pas­siv zusah, heu­te ver­weist Gitai auf den Ver­such der Netan­ja­hu-Regie­rung, die israe­li­sche Ver­fas­sung zu ver­än­dern und sei­ne Posi­ti­on zu stär­ken. Doch das ist nur ein Aspekt der israe­li­schen Gegen­wart, die schon vor dem 7. Okto­ber schwie­rig war, auch wenn vie­le Pro­ble­me ver­drängt wur­den und nur köchel­ten. In Dia­log­frag­men­ten ver­weist Gitai etwa auf Räu­mun­gen paläs­ti­nen­si­scher Häu­ser im West­jor­dan­land, aber auch auf die Gen­tri­fi­zie­rung in den Städ­ten, auf den seit Jahr­zehn­ten schwe­len­den Kon­flikt um Land und Raum, sowie auf das Ver­hält­nis der ultra­or­tho­do­xen Juden gegen­über der Mehr­heit welt­of­fe­ner, libe­ra­ler Israelis.

Schau­platz des Gan­zen ist ein Shi­kun, ein Sozi­al­bau in der Stadt Be‘er Sche­va, die im Süden Isra­els mit­ten in der Negev-Wüs­te liegt. In einem schier end­los lan­gen Gang begeg­nen sich anfangs die Figu­ren, ste­hen sich sym­bo­lisch im Weg, wei­chen sich aus. Mal folgt die flie­ßen­de Kame­ra von Eric Gau­tier die­sen Figu­ren, dann ande­ren, mal hört man einen Mono­log Irè­ne Jacobs, dann eine Unter­hal­tung von Archi­tek­ten. Gere­det wird in einem schier baby­lo­ni­schen Sprach­ge­wirr, in dem man neben Hebrä­isch und Jid­disch, auch Ara­bisch, Eng­lisch und Fran­zö­sisch hören kann, Ein­wan­de­rer aus der Ukrai­ne kom­men eben­so zu Wort wie Holo­caust-Über­le­ben­de. Ein Pan­ora­ma der israe­li­schen Gesell­schaft ent­steht, in der wech­sel­sei­ti­ge Kräf­te wir­ken. (…) Wie ein Spie­gel der unter­schied­li­chen Posi­tio­nen inner­halb der israe­li­schen Gesell­schaft wirkt Amos Gita­is SHI­KUN, ein expe­ri­men­tel­ler Film, der oft so rät­sel­haft erscheint wie Isra­el und der Nahe Osten ins­ge­samt.“ (Micha­el Meyns, pro​gramm​ki​no​.de)