THE EAR // DAS OHR

JFBB Sek­ti­on: BRUCH ODER KON­TI­NUI­TÄT? “ANTI­ZIO­NIS­MUS” UND ANTI­SE­MI­TIS­MUS IM SOZIA­LIS­MUS UND DANACH

THE EAR // DAS OHR
Karel Kachyňa, ČSSR 1970, 94 min, Spiel­film, OmU (Eng­lisch + Deutsch)
Sprach­fas­sung: Tsche­chisch, Russisch

Prag, 1952: der stell­ver­tre­ten­de Bau­mi­nis­ter und sei­ne Frau kom­men nach Hau­se und fin­den die Haus­tür unver­schlos­sen vor – wur­de in ihrem Haus ein „Ohr“ instal­liert? Ein Polit­dra­ma, über die all­ge­gen­wär­ti­ge Angst in der Tsche­cho­slo­wa­kei zu Beginn der 1950er-Jah­re im Kon­text der Ver­haf­tung Rudolf Sláns­kýs und ande­rer, auf­fäl­lig vie­ler jüdi­scher, Politiker.

Der Zweit­schlüs­sel liegt nicht mehr an sei­nem Platz, der Strom ist weg, auf der Stra­ße ent­fernt sich ein Auto ohne Licht – dem Beam­ten Lud­vik und sei­ner Frau drängt sich der Ver­dacht auf, dass jemand im Haus gewe­sen sein muss. Droht dem Stell­ver­tre­ter jetzt das glei­che Schick­sal wie sei­nem Chef, dem Minis­ter, der wohl gera­de ver­haf­tet wur­de? Wur­de in ihrem Haus ein „Ohr“ instal­liert? Die Ehe­leu­te stei­gern sich immer mehr in die Angst hin­ein, dass sie über­wacht und ver­haf­tet wer­den könn­ten. Als die­se Stim­mung in einem bösen Streit eska­liert, denun­zie­ren sich die bei­den scham­los gegen­sei­tig…
Direkt nach sei­ner Fer­tig­stel­lung 1969 wur­de der Film ver­bo­ten, denn die kur­ze Pha­se der libe­ra­len Ver­hält­nis­se war nach der Nie­der­schla­gung des Pra­ger Früh­lings schnell wie­der vor­bei. Erst 1990 konn­te DAS OHR auf­ge­führt wer­den. Zu offen hat­te der Film auf die poli­ti­sche Unter­drü­ckung der ver­gan­ge­nen Jah­re – die mit anti­se­mi­ti­schen Moti­ven unter­füt­ter­ten und aus Mos­kau gesteu­er­ten Ver­haf­tun­gen im Rah­men der Schau­pro­zes­se – ange­spielt.
Der Schau­pro­zess „Pro­zess gegen die Lei­tung des staats­feind­li­chen Ver­schwö­rer­zen­trums mit Rudolf Sláns­ký an der Spit­ze“ von 1952 unter­stell­te 14 Mit­glie­dern der Kom­mu­nis­ti­schen Par­tei, dar­un­ter 11 Juden, sowje­ti­schen Lan­des­ver­rat. Von Anti­zio­nis­mus und Anti­se­mi­tis­mus geprägt ende­te der Pro­zess mit 11 Todesurteilen.

Text: Chris­ti­na Frankenberg