TOOMAPÄEV – Kurzfilmprogramm
Wir zeigen:
СТАКАНОВЕЦ / BESTARBEITER GLASIG ◄
Sowjetische Animation 1980er Jahre, 10 min, stumm
am präparierten Flügel live begleitet von Jürgen Kurz
Bestarbeiter Biber kennt keinen Alkohol am Arbeitsplatz. Doch Kollege Wolf überredet den frisch Ausgezeichneten beim Betriebsvergnügen zum Saufen und das Unglück nimmt seinen Lauf.
KIHNU MEES / DIE MÄNNER VON DER INSEL KIHNU ◄
Estnische SSR 1986, 51 min, OmdU
Regie: Mark Soosaar Silberne Taube, Leipzig 1987
Die Insel Kihnu in der Bucht von Riga: Auf Grund der Insellage blieben hier traditionelle Strukturen und baltische Volkskultur erhalten. Das änderte sich, als die zentralistische Regierung die Eingliederung der Landwirtschaft Kihnus in eine größere Kolchose auf dem Festland beschloss. Da geriet die „heile Welt“ aus den Fugen: die Arbeit war plötzlich nicht mehr selbstbestimmt, die Versorgung drohte streckenweise zusammenzubrechen. Der engagierte Dokumentarfilm aus der SSR Estland spiegelt diesen Prozess, dessen Endstationen Landflucht und Alkoholismus sind; mit geisterhaften Bildern werden die Zerstörung der vermeintlichen Idylle und die tiefe soziale und psychische Bedrohung der entwurzelten Inselleute wie in einem Albtraum festgehalten. (Filmdienst)
„Der Film beginnt mit einer ironisch akzentuierten Episode: Inselbewohner von Kihnu sind in die ‚weißsteinerne‘ Hauptstadt gekommen, um hier eine Vorstellung zu geben. Um zu tanzen und zu singen. Unter Kristall-Lüstern. Vor einem herausgeputzten großstädtischen Publikum im Saale. Beringte Hände halten eine teure, ausländische Videokamera. Diese Kamera ist auf unsere Kihnu-Leute gerichtet, die ihre einfachen Tänze und Lieder vortragen… Nein, irgendetwas stimmt hier nicht… Mark Soosaar tastet das eine und andere Zuschauergesicht ab und erfasst dabei die Falschheit herablassendener Liebeswürdigkeit. (…) Ein scharfer Schnitt vom hauptstädtischen Saal auf einen rennenden Hammel, auf dessen Rücken ein maskierter Junge sitzt. Der Junge fällt ins Gras und seine Maske unter die Hufe des Hammels.
… Aus dem Eis ragen Karosserien von Autos und Traktoren, die deren Fahrer im betrunkenen Zustand haben absaufen lassen: Ein Beleg für die Gründe, warum die Lieder und Tänze nicht mehr das sind, was sie waren – Trunksucht.
(…) Mark Soosaars Film lässt sich nicht nacherzählen. Man muss ihn sich anschauen. In diesem Film gibt es keine einzige leere, überflüssige Einstellung. Jede Landschaft, jede Mise-en-scène, und jedes Detail, jedes Lied, jeder Ton und jedes Wort ist dramaturgisch genau kalkuliert. Alles ist ‚unter Spannung‘. Alles trifft ins Schwarze. Bin hin zu den Farbtönen.
Mark Soosaars Talent steht in voller Blüte. Seltsam, dass er keine Spielfilme dreht. Denn seine Filme bewegen sich stets auf der Grenzlinie von Spiel- und Nichtspielfilm, die Sergej Eisenstein, Robert Flaherty, John Cassavetes und Lionel Rogosin so überaus aktiv anzog und kühne Filme voller Lebenskraft inspirierte. Viele streben zu dieser Grenzlinie, die aber leider nicht für alle erreichbar ist. (…)“ (Sowjetskaja Estonija, Tallin, 23.05.1987)
TAM 4500 ◄
Montenegro 2017, 23 min, OmeU
Regie: Momir Matović
Nur wer der Armut nicht entfliehen konnte, lebt heute noch in den montenegrinischen Bergen. Risto Baćović, 62 Jahre alt, besitzt wenigstens einen längst totgesagten, klapprigen LKW. Natürlich hilft Risto, wenn irgendetwas transportiert werden muss, auch wenn die Sache mit dem alten, kaputten Ding aussichtslos scheint. Eine neue Geschichte von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen oder ein Lob der Einfachheit.
In seinen Filmen portraitiert der 1951 geborene montenegrinische Kult-Dokumentarist Momir Matović Menschen, die sich dem Rhythmus der Landschaft anpassen. Er filmt im karstigen Hinterland der faszinierenden, aber trotzigen „Schwarzen Berge“, die von ihren Bewohnern zum Überleben vor allem eins abfordern: Geduld. Genauso geduldig beobachtet Matović seine Protagonisten, die nicht nur einer übermächtigen Natur gegenüberstehen, sondern auch den Zeitläuften der Geschichte: Wertewandel, Gentrifizierung und Landflucht hinterlassen ihre Spuren. Traditionen und Symbole verschwinden, und auch die Menschen gehen. (Filmfestival Cottbus 2019)