Datum Uhrzeit
Titel, Sprache
Regisseur*in
Do. 21.08.
16:00 Uhr
Arsenal Summer School 2025 zu Gast im Kino Krokodil
– nur mit Voranmeldung!
16. Arsenal Summer School
20.–22. August 2025, im silent green
On Location: Kino im Kiez
Wie jedes Jahr im August veranstaltet das Arsenal – Institut für Film und Videokunst seine Summer School. An drei Tagen setzen sich 30 Teilnehmer*innen, Mitarbeiter*innen des Arsenals sowie eingeladene Gäste mit Themen an der Schnittstelle von Theorie und Praxis, Geschichte und Gegenwart auseinander. Anlässlich unseres Umzugs und der Kinoeröffnung im Jahr 2026 im silent green im Wedding wollen wir uns dem Kino im Kiez unter vielfältigen Aspekten annähern. Hierzu zählen Ausflüge in die Nachbarschaft: Besucht werden das City Kino Wedding und das Kino Krokodil. In den Seminarveranstaltungen stellen eingeladene Filmemacher*innen und Arsenalmitarbeiter*innen filmische Kiezdarstellungen zur Diskussion. Im praktischen Teil können die Teilnehmer*innen den Kiez unter künstlerisch-theoretischer Anleitung filmisch und fotografisch skizzieren und präsentieren.
Mit Beiträgen von: Aysun Bademsoy, Jonas Dederichs, Jule Fechner, Debora Fiora, Gabriel Hageni, Gregor Kasper, Birgit Kohler, Kenza Madsen, Ben Marnitz, Abdel Amine Mohammed, Stefanie Schulte Strathaus, Andrea Stosiek
Die Veranstaltungen finden teils in deutscher, teils in englischer Sprache statt.
Anmelden können sich alle Interessierten unter summerschool@arsenal-berlin.de
Die Teilnehmer*innenzahl ist begrenzt.
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
D 2025, 79 min, deutsche Originalfassung (Hohenlohisch mit deutschen UT)
Regie: Justine Bauer
“Mit ihrer besonderen Mischung aus dokumentarischen und fiktionalen Elementen erzählt Justine Bauer komisch und tragisch, anrührend und gewaltig vom Leben von Frauen auf dem Land.“ (Doris Dörrie, Alleinjurorin MFG Star)
Anna ist schwanger und denkt über Kastrationen nach. Katinka kann vielleicht keine Bäuerin werden und trägt ihren Bikini im Melkstand. Aber Omas Tomaten sind in diesem Jahr so gut geworden wie nie zuvor. Ein Sommer auf sterbenden Bauernhöfen. Katinka, eine junge Frau, ringt darum, den Bauernhof ihrer Familie weiterzuführen. Mit ihr treten weibliche Figuren in den Vordergrund, die die landwirtschaftliche Realität nicht nur bewältigen, sondern prägen – allen voran Mutter und Großmutter, die als Generationenverbund Kontinuität und gelebte Erfahrung verkörpern – sowie Katinkas Schwestern und Anna, mit denen sie jede freie Minute im Fluss verbringt.
Gedreht wurde in der Region Hohenlohe, deren Mundart – das Hohenlohische – im Film überwiegend gesprochen wird. Diese oberdeutsche Variante, stark landwirtschaftlich geprägt, variiert von Dorf zu Dorf und ist unter jungen Menschen nur noch selten lebendig. Hauptdarstellerin Karolin Nothacker (Katinka) wurde über einen Zeitungsaufruf gefunden und brachte ihre drei Geschwister mit ans Set, die im Film ebenfalls ihre Geschwister spielen. Die Rolle der Mutter spielt Johanna Wokalek. Sie arbeitete mit einem Dialektcoach, um sich nahtlos in die Riege der Laien einzureihen. Großmutter Emma wird von Lore Bauer verkörpert, der realen Großmutter der Regisseurin, die den mündlichen Reichtum dieser Sprache mitbringt – und die leider kurz nach den Dreharbeiten verstarb.

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Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Deutschland 2025, 99 min, deutsche Originalfassung
Regie: Hermann Pölking
Der Film erzählt die Geschichte Ostpreußens in der Zeit von 1912 bis 1945 ausschließlich anhand historischer Film- und Tonaufnahmen. Einen Großteil der gezeigten Bilder haben Amateurfilmer gedreht. Dadurch bietet der Film viele persönliche, biografische Einblicke. Es handelt sich um einen reinen Kompilationsfilm – einen Kinofilm, der vollständig auf nachträgliche szenische Inszenierungen, Interviews oder aktuelle Aufnahmen der historischen Landschaft verzichtet. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren haben die Produzenten in Archiven, bei Privatsammlern und in familiären Nachlässen nach geeignetem Filmmaterial gesucht, um das einst östlichste Gebiet Deutschlands in all seiner historischen, kulturellen und emotionalen Komplexität erfahrbar zu machen.
„Die ersten Bilder des ansonsten chronologisch erzählten Films stammen aus dem letzten Kapitel der Geschichte: dem Ostpreußen im Jahr 1944 mit der Flucht vor der anrückenden Roten Armee. Pölking hat sich nach anderen Schnittversionen für diese Lösung entschieden, damit die Zerstörung durch sowjetische Soldaten nicht als Zielpunkt der Dramaturgie wirkt. Danach zeigt er dann Aufnahmen von der Landung eines Luftschiffs in Königsberg. Und am Ende stehen schöne und friedliche Bilder von einem herrlichen Sommertag im Jahr 1944. Bald danach gab es Ostpreußen nicht mehr.“ (Wilfried Hippen, TAZ 15.05.2025)
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Deutschland 2025, 99 min, deutsche Originalfassung
Regie: Hermann Pölking
Der Film erzählt die Geschichte Ostpreußens in der Zeit von 1912 bis 1945 ausschließlich anhand historischer Film- und Tonaufnahmen. Einen Großteil der gezeigten Bilder haben Amateurfilmer gedreht. Dadurch bietet der Film viele persönliche, biografische Einblicke. Es handelt sich um einen reinen Kompilationsfilm – einen Kinofilm, der vollständig auf nachträgliche szenische Inszenierungen, Interviews oder aktuelle Aufnahmen der historischen Landschaft verzichtet. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren haben die Produzenten in Archiven, bei Privatsammlern und in familiären Nachlässen nach geeignetem Filmmaterial gesucht, um das einst östlichste Gebiet Deutschlands in all seiner historischen, kulturellen und emotionalen Komplexität erfahrbar zu machen.
„Die ersten Bilder des ansonsten chronologisch erzählten Films stammen aus dem letzten Kapitel der Geschichte: dem Ostpreußen im Jahr 1944 mit der Flucht vor der anrückenden Roten Armee. Pölking hat sich nach anderen Schnittversionen für diese Lösung entschieden, damit die Zerstörung durch sowjetische Soldaten nicht als Zielpunkt der Dramaturgie wirkt. Danach zeigt er dann Aufnahmen von der Landung eines Luftschiffs in Königsberg. Und am Ende stehen schöne und friedliche Bilder von einem herrlichen Sommertag im Jahr 1944. Bald danach gab es Ostpreußen nicht mehr.“ (Wilfried Hippen, TAZ 15.05.2025)
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Mehr erfahren
Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Österreich / Deutschland 2024, 77 min, russische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Elsa Kremser, Levin Peter
Ein Rudel von Streunern – sieben Hunde und eine Frau – lebt in den Schatten der Stadt Moskau. Von den totalitären Behörden verborgen, teilen zwei Spezies ihre Existenz am Rande des Verschwindens. Sie streunen in ständiger Unruhe durch eine wilde Landschaft, wo die Stadt in die Brüche geht. Aus der Perspektive der Tiere gedreht, beginnen die Muster von gegenseitiger Abhängigkeit und Zähmung zu zerfließen.
„Zumeist aus der Perspektive der Hunde gefilmt, hat die Doku einen experimentellen Touch: Wie in einem Märchen gehen darin das Fantastische und das Realistische, das Hypnotische und das Irritierende, das Schöne und das Grausame eine Verbindung ein.“ (falter.at)
„Dem ungezähmten hündischen Leben auf der Straße haben wir in SPACE DOGS den menschlichen Missbrauch für die Raumfahrt gegenübergestellt. In DREAMING DOGS widmen wir uns der gegenseitigen Abhängigkeit dieser beiden Spezies. Was bedeutet es, wenn sich Hund und Mensch so sehr annähern, dass ein Leben ohne einander unmöglich scheint? In Nadjas Hingabe zu Dingo verbirgt sich für uns ihre existenzielle Angst davor, verlassen und verstoßen zu werden – erst von der Gesellschaft und schließlich auch von einem Tier. Nadja legt Dingo nicht an eine Kette, um ihn an sich zu binden. Es scheint, als glaube sie nur an seine wahre Zuneigung, wenn sie von ihm selbst gewählt ist. Was uns an Nadja fasziniert und berührt, sind die zutiefst menschlichen Eigenschaften, die sie auf Dingo projiziert. Und dass sie, von den Menschen enttäuscht, einzig ihm ihre Gefühle und Sorgen offenbart. Aber wie lebt Dingo in der Umklammerung von Nadjas Sehnsüchten und Projektionen, wenn sie ihn einmal als ‚raufenden gewissenlosen Bastard‘ und ein anderes Mal als ‚besten Hund der Welt‘ bezeichnet, wenn sie einerseits auf ihn schimpft und ihn andererseits verzweifelt umklammert? So spiegelt sich in dieser Frage der paradoxe Zustand, in dem sich Hunde seit jeher befinden: ein Leben in der Schwebe zwischen ihrer wilden Abstammung und ihrer Abhängigkeit von den Menschen.“ (Regiekommentar)
Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Deutschland 2024, 82 min, deutsche Originalfassung
Regie: Sandro Giampietro, Helge Schneider
Helge Schneider legt seine filmische Autobiographie vor. Die von Sandro Giampietro geführte Kamera bietet dem Publikum tiefe Einblicke in das Leben und Werk des Künstlers. Mit hier und da eingeworfenen Originalaufnahmen, Super 8 oder VHS, gespielten Sketchen und Reality-Fotos erschafft der Film ein Patchwork – von Schneiders Gegenwart zu verschiedenen Stationen seiner Karriere.
„Ja, das ist alles reichlich albern, und das ist das Gefährliche für den Film im kommerziellen Sinn: Er ist in einigen Strecken langweilig. Aber das ist eben keine Langeweile ersten Grades, sondern eine Langeweile, die witzig ist, wenn man den richtigen Humor hat, aber den hat nun mal nicht jeder. Zum Glück gibt es immer wieder Musik!” (Harald Mühlbeyer, kino-zeit.de)
Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Österreich / Deutschland 2024, 77 min, russische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Elsa Kremser, Levin Peter
Ein Rudel von Streunern – sieben Hunde und eine Frau – lebt in den Schatten der Stadt Moskau. Von den totalitären Behörden verborgen, teilen zwei Spezies ihre Existenz am Rande des Verschwindens. Sie streunen in ständiger Unruhe durch eine wilde Landschaft, wo die Stadt in die Brüche geht. Aus der Perspektive der Tiere gedreht, beginnen die Muster von gegenseitiger Abhängigkeit und Zähmung zu zerfließen.
„Zumeist aus der Perspektive der Hunde gefilmt, hat die Doku einen experimentellen Touch: Wie in einem Märchen gehen darin das Fantastische und das Realistische, das Hypnotische und das Irritierende, das Schöne und das Grausame eine Verbindung ein.“ (falter.at)
„Dem ungezähmten hündischen Leben auf der Straße haben wir in SPACE DOGS den menschlichen Missbrauch für die Raumfahrt gegenübergestellt. In DREAMING DOGS widmen wir uns der gegenseitigen Abhängigkeit dieser beiden Spezies. Was bedeutet es, wenn sich Hund und Mensch so sehr annähern, dass ein Leben ohne einander unmöglich scheint? In Nadjas Hingabe zu Dingo verbirgt sich für uns ihre existenzielle Angst davor, verlassen und verstoßen zu werden – erst von der Gesellschaft und schließlich auch von einem Tier. Nadja legt Dingo nicht an eine Kette, um ihn an sich zu binden. Es scheint, als glaube sie nur an seine wahre Zuneigung, wenn sie von ihm selbst gewählt ist. Was uns an Nadja fasziniert und berührt, sind die zutiefst menschlichen Eigenschaften, die sie auf Dingo projiziert. Und dass sie, von den Menschen enttäuscht, einzig ihm ihre Gefühle und Sorgen offenbart. Aber wie lebt Dingo in der Umklammerung von Nadjas Sehnsüchten und Projektionen, wenn sie ihn einmal als ‚raufenden gewissenlosen Bastard‘ und ein anderes Mal als ‚besten Hund der Welt‘ bezeichnet, wenn sie einerseits auf ihn schimpft und ihn andererseits verzweifelt umklammert? So spiegelt sich in dieser Frage der paradoxe Zustand, in dem sich Hunde seit jeher befinden: ein Leben in der Schwebe zwischen ihrer wilden Abstammung und ihrer Abhängigkeit von den Menschen.“ (Regiekommentar)
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Österreich / Deutschland 2024, 77 min, russische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Elsa Kremser, Levin Peter
Ein Rudel von Streunern – sieben Hunde und eine Frau – lebt in den Schatten der Stadt Moskau. Von den totalitären Behörden verborgen, teilen zwei Spezies ihre Existenz am Rande des Verschwindens. Sie streunen in ständiger Unruhe durch eine wilde Landschaft, wo die Stadt in die Brüche geht. Aus der Perspektive der Tiere gedreht, beginnen die Muster von gegenseitiger Abhängigkeit und Zähmung zu zerfließen.
„Zumeist aus der Perspektive der Hunde gefilmt, hat die Doku einen experimentellen Touch: Wie in einem Märchen gehen darin das Fantastische und das Realistische, das Hypnotische und das Irritierende, das Schöne und das Grausame eine Verbindung ein.“ (falter.at)
„Dem ungezähmten hündischen Leben auf der Straße haben wir in SPACE DOGS den menschlichen Missbrauch für die Raumfahrt gegenübergestellt. In DREAMING DOGS widmen wir uns der gegenseitigen Abhängigkeit dieser beiden Spezies. Was bedeutet es, wenn sich Hund und Mensch so sehr annähern, dass ein Leben ohne einander unmöglich scheint? In Nadjas Hingabe zu Dingo verbirgt sich für uns ihre existenzielle Angst davor, verlassen und verstoßen zu werden – erst von der Gesellschaft und schließlich auch von einem Tier. Nadja legt Dingo nicht an eine Kette, um ihn an sich zu binden. Es scheint, als glaube sie nur an seine wahre Zuneigung, wenn sie von ihm selbst gewählt ist. Was uns an Nadja fasziniert und berührt, sind die zutiefst menschlichen Eigenschaften, die sie auf Dingo projiziert. Und dass sie, von den Menschen enttäuscht, einzig ihm ihre Gefühle und Sorgen offenbart. Aber wie lebt Dingo in der Umklammerung von Nadjas Sehnsüchten und Projektionen, wenn sie ihn einmal als ‚raufenden gewissenlosen Bastard‘ und ein anderes Mal als ‚besten Hund der Welt‘ bezeichnet, wenn sie einerseits auf ihn schimpft und ihn andererseits verzweifelt umklammert? So spiegelt sich in dieser Frage der paradoxe Zustand, in dem sich Hunde seit jeher befinden: ein Leben in der Schwebe zwischen ihrer wilden Abstammung und ihrer Abhängigkeit von den Menschen.“ (Regiekommentar)
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Deutschland 2025, 99 min, deutsche Originalfassung
Regie: Hermann Pölking
Der Film erzählt die Geschichte Ostpreußens in der Zeit von 1912 bis 1945 ausschließlich anhand historischer Film- und Tonaufnahmen. Einen Großteil der gezeigten Bilder haben Amateurfilmer gedreht. Dadurch bietet der Film viele persönliche, biografische Einblicke. Es handelt sich um einen reinen Kompilationsfilm – einen Kinofilm, der vollständig auf nachträgliche szenische Inszenierungen, Interviews oder aktuelle Aufnahmen der historischen Landschaft verzichtet. Über einen Zeitraum von zwölf Jahren haben die Produzenten in Archiven, bei Privatsammlern und in familiären Nachlässen nach geeignetem Filmmaterial gesucht, um das einst östlichste Gebiet Deutschlands in all seiner historischen, kulturellen und emotionalen Komplexität erfahrbar zu machen.
„Die ersten Bilder des ansonsten chronologisch erzählten Films stammen aus dem letzten Kapitel der Geschichte: dem Ostpreußen im Jahr 1944 mit der Flucht vor der anrückenden Roten Armee. Pölking hat sich nach anderen Schnittversionen für diese Lösung entschieden, damit die Zerstörung durch sowjetische Soldaten nicht als Zielpunkt der Dramaturgie wirkt. Danach zeigt er dann Aufnahmen von der Landung eines Luftschiffs in Königsberg. Und am Ende stehen schöne und friedliche Bilder von einem herrlichen Sommertag im Jahr 1944. Bald danach gab es Ostpreußen nicht mehr.“ (Wilfried Hippen, TAZ 15.05.2025)
Deutschland 2024, 82 min, deutsche Originalfassung
Regie: Sandro Giampietro, Helge Schneider
Helge Schneider legt seine filmische Autobiographie vor. Die von Sandro Giampietro geführte Kamera bietet dem Publikum tiefe Einblicke in das Leben und Werk des Künstlers. Mit hier und da eingeworfenen Originalaufnahmen, Super 8 oder VHS, gespielten Sketchen und Reality-Fotos erschafft der Film ein Patchwork – von Schneiders Gegenwart zu verschiedenen Stationen seiner Karriere.
„Ja, das ist alles reichlich albern, und das ist das Gefährliche für den Film im kommerziellen Sinn: Er ist in einigen Strecken langweilig. Aber das ist eben keine Langeweile ersten Grades, sondern eine Langeweile, die witzig ist, wenn man den richtigen Humor hat, aber den hat nun mal nicht jeder. Zum Glück gibt es immer wieder Musik!” (Harald Mühlbeyer, kino-zeit.de)
Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Mo. 01.09.
20:00 Uhr
keine Vorstellung
D 2025, 79 min, deutsche Originalfassung (Hohenlohisch mit deutschen UT)
Regie: Justine Bauer
“Mit ihrer besonderen Mischung aus dokumentarischen und fiktionalen Elementen erzählt Justine Bauer komisch und tragisch, anrührend und gewaltig vom Leben von Frauen auf dem Land.“ (Doris Dörrie, Alleinjurorin MFG Star)
Anna ist schwanger und denkt über Kastrationen nach. Katinka kann vielleicht keine Bäuerin werden und trägt ihren Bikini im Melkstand. Aber Omas Tomaten sind in diesem Jahr so gut geworden wie nie zuvor. Ein Sommer auf sterbenden Bauernhöfen. Katinka, eine junge Frau, ringt darum, den Bauernhof ihrer Familie weiterzuführen. Mit ihr treten weibliche Figuren in den Vordergrund, die die landwirtschaftliche Realität nicht nur bewältigen, sondern prägen – allen voran Mutter und Großmutter, die als Generationenverbund Kontinuität und gelebte Erfahrung verkörpern – sowie Katinkas Schwestern und Anna, mit denen sie jede freie Minute im Fluss verbringt.
Gedreht wurde in der Region Hohenlohe, deren Mundart – das Hohenlohische – im Film überwiegend gesprochen wird. Diese oberdeutsche Variante, stark landwirtschaftlich geprägt, variiert von Dorf zu Dorf und ist unter jungen Menschen nur noch selten lebendig. Hauptdarstellerin Karolin Nothacker (Katinka) wurde über einen Zeitungsaufruf gefunden und brachte ihre drei Geschwister mit ans Set, die im Film ebenfalls ihre Geschwister spielen. Die Rolle der Mutter spielt Johanna Wokalek. Sie arbeitete mit einem Dialektcoach, um sich nahtlos in die Riege der Laien einzureihen. Großmutter Emma wird von Lore Bauer verkörpert, der realen Großmutter der Regisseurin, die den mündlichen Reichtum dieser Sprache mitbringt – und die leider kurz nach den Dreharbeiten verstarb.

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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D 2025, 79 min, deutsche Originalfassung (Hohenlohisch mit deutschen UT)
Regie: Justine Bauer
“Mit ihrer besonderen Mischung aus dokumentarischen und fiktionalen Elementen erzählt Justine Bauer komisch und tragisch, anrührend und gewaltig vom Leben von Frauen auf dem Land.“ (Doris Dörrie, Alleinjurorin MFG Star)
Anna ist schwanger und denkt über Kastrationen nach. Katinka kann vielleicht keine Bäuerin werden und trägt ihren Bikini im Melkstand. Aber Omas Tomaten sind in diesem Jahr so gut geworden wie nie zuvor. Ein Sommer auf sterbenden Bauernhöfen. Katinka, eine junge Frau, ringt darum, den Bauernhof ihrer Familie weiterzuführen. Mit ihr treten weibliche Figuren in den Vordergrund, die die landwirtschaftliche Realität nicht nur bewältigen, sondern prägen – allen voran Mutter und Großmutter, die als Generationenverbund Kontinuität und gelebte Erfahrung verkörpern – sowie Katinkas Schwestern und Anna, mit denen sie jede freie Minute im Fluss verbringt.
Gedreht wurde in der Region Hohenlohe, deren Mundart – das Hohenlohische – im Film überwiegend gesprochen wird. Diese oberdeutsche Variante, stark landwirtschaftlich geprägt, variiert von Dorf zu Dorf und ist unter jungen Menschen nur noch selten lebendig. Hauptdarstellerin Karolin Nothacker (Katinka) wurde über einen Zeitungsaufruf gefunden und brachte ihre drei Geschwister mit ans Set, die im Film ebenfalls ihre Geschwister spielen. Die Rolle der Mutter spielt Johanna Wokalek. Sie arbeitete mit einem Dialektcoach, um sich nahtlos in die Riege der Laien einzureihen. Großmutter Emma wird von Lore Bauer verkörpert, der realen Großmutter der Regisseurin, die den mündlichen Reichtum dieser Sprache mitbringt – und die leider kurz nach den Dreharbeiten verstarb.

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Deutschland / Luxemburg / Italien 2025, 129 min, deutsche Originalfassung
Regie: Elmar Imanov
„Ein Kuss ist etwas, das einen Menschen verändern kann. Hier ist es eine Verabschiedung – von sich selbst, einem früheren Ich, da man nie wieder so sein wird, wie man bisher war, wenn man einen Elternteil verliert. Der Kuss begrüßt die Veränderung, wenn man ahnt, dass man dabei ist, sich zu häuten wie eine Schlange, und dann eine neue Haut bekommt. Ich dachte mir, dass dieser Titel das symbolisiert, denn der Film ist ja nicht nur düster, es gibt auch ein bisschen Slapstick, Komik und Poesie. Und Schönes, wie bei einem Kuss.” (Elmar Imanov)
Der Schriftsteller Bernard lebt in einer magisch-realistischen Welt mit einem Schaf und in einer turbulenten Beziehung zu seiner Freundin Agata. Ein menschengroßer Grashüpfer taucht auf. Bernard erfährt von der tödlichen Diagnose seines Vaters und muss sich mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und dem Sinn seiner eigenen Existenz auseinandersetzen. Regisseur Elmar Imanov reflektiert in dem von ihm auch geschriebenen Film DER KUSS DES GRASHÜPFERS sein eigenes Verhältnis zu seinem Vater und die Gefühle von Verlorenheit und Surrealität, die dessen Tod in ihm ausgelöst haben und ihn zwingen, sich selbst und seine Welt neu zu definieren.
„Ich wurde im Sommer 1985 in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, als Sohn eines Architekten und einer Künstlerin geboren. Meine Kindheit erlebte ich also in einem der schwierigsten Zeitabschnitte in der Geschichte meines Landes. Der Bergkarabach-Krieg erreichte seinen Höhepunkt, Polizisten verdienten an Schutzgeldern, die Kriminalitätsrate explodierte, und mein Vater arbeitete als Architekt Tag und Nacht, um uns zu ernähren. Ich verbrachte deshalb viel Zeit bei meinen Großeltern und auf der Straße.
Ich erinnere mich gut daran, wie mein Vater mich einmal von der Schule abholte. Es war gegen 14 Uhr im Sommer 1993. Ich freute mich, ihn zu sehen. Er nahm mich an die Hand und wir gingen aus der Schule. Er sagte mir noch, dass wir bei der Brotfabrik, die direkt neben meiner Schule war, vorbeigehen müssten, um Brot zu kaufen. As wir später zuhause ankamen, war es schon dunkel. Wir hatten den ganzen Tag in der riesigen Schlange an der Brotfabrik gestanden und hatten Angst, es wegen der abendlichen Ausgangssperre nicht nach Hause zu schaffen. Wenn wir mal zusammen waren, sprachen wir viel miteinander. Als Architekt hat er seit meiner Kindheit meinen Sinn für den mich umgebenden Raum geschärft. Der Gedanke, dass der Raum, der uns umgibt, oft gemacht und ausgedacht ist, begleitete mich schon sehr früh. Er zeigte mir auch, wie man Realität umgestalten kann, zum Beispiel durch das Verschieben von Wänden oder die Anordnung und Reihenfolge von Bäumen und Räumen.
1998 siedelten wir nach Deutschland über. Die Zeit hier war aus Sicht meiner Familie eine viel friedvollere und schönere Zeit. Wir reisten viel und verbrachten ausgesprochen lebensbejahende Jahre in der Wohnung in Köln-Ehrenfeld, wo ich aufgewachsen bin. Ich machte das Abitur, musste mit dem Mobbing in deutschen Schulen kämpfen. Wir freuten uns gemeinsam über die Zulassung zum Filmstudium, über den Studentenoscar und die Cannes-Teilnahme. Ich reiste mit den Filmen viel durch die Welt und manchmal schaffte ich es nicht ganz bis nach Hause. Dann brachte mein Vater mir ein frisches weißes Hemd, das er zuvor gebügelt hatte, zum Bahnhof, wo wir noch eine gemeinsame Zigarette rauchten und einen Kaffee tranken, bevor ich weiterzog.
Bis im Winter 2014 die vernichtende Diagnose alles veränderte: SCLC – kleinzelliges Lungenkarzinom. Lungenkrebs im Endstadium. Wir wussten alle: in 12 Monaten stirbt er. Es war ein sehr unfaires und erdrückendes Gefühl. Ich wusste, niemand kann ihn jetzt verstehen, ab jetzt ist er einsam bis zum Tod. Eine Welt brach für mich zusammen. Das äußerte sich auf unterschiedliche Weise: mal in Tränen und mal hyperaktiv auf einer Party. Ich stürzte in die Tiefe und war wie ein Geist. Als mein Vater nach 10 Monaten starb, begann ich einen langsamen Weg zurück ins Leben. Als ich ein Jahr, nachdem er gestorben war, aus meiner Betäubung aufwachte, schrieb ich das Drehbuch. Heute, wenn ich zurückblicke, bin ich ein anderer Mensch.“ (Elmar Imanov, arsenal-berlin.de/forum)
***
Interviewauszug, Elmar Imanov und Eva Blondiau im Gespräch mit Christiane Büchner und Barbara Wurm, Forum 2025:
„BW: (…) Der Film macht es sich auch ästhetisch nicht leicht, indem er irgendwelche Abstraktionsebenen sucht, sondern geht mitten rein in ein klassisches Filmkerngeschäft. Ich fand hierbei die Arbeit mit den Schauspieler*innen absolut herausragend und zentral, gerade weil man sie auch aus dem TV- und Serienkontext kennt. Wie hast du konkret mit ihnen gearbeitet?
EI: Ich hatte Glück, dass ich sie gefunden habe. Bei jedem Film ist die Arbeit mit den Schauspielern anders. Meine früheren Filme habe ich mit den Schauspielern improvisiert. Bei END OF SEASON zum Beispiel wussten wir bei Drehbeginn nicht, wie der Film enden wird. Beim KUSS DES GRASHÜPFERS war es so, dass die Sprache eine zentrale Bedeutung bekommen hat, dass eine bestimmte Melodie entstand, in dem, was ich geschrieben habe und wie die Schauspieler es interpretiert haben. Meistens geben wir unseren Filmen eine englischsprachige Identität, damit die Leute wissen, das ist für alle gedacht, der Film ist nicht lokal. Hier war mir aber wichtig, dass es in den Credits alle Äs und Üs der deutschen Sprache gibt. Es war uns wichtig, zu sagen, dass es ein deutscher Film ist.
BW: Trotzdem ist es eine sehr internationale Produktion. Waren jemals zuvor so viele Georgier*innen an einem deutschen Film beteiligt?
EB: Der Film war von Anfang an eine deutsch-italienisch-luxemburgische Co-Produktion. Wir haben die Hälfte des Drehs in Georgien gemacht, weil wir den Film über Jahre finanziert haben, in denen alle Preise enorm stiegen. Wir haben vor der Pandemie angefangen, und waren am Ende sehr unter Zeitdruck, sodass wir auch gar nicht das Budget anpassen konnten an das, was der Film eigentlich an finanziellen Mitteln gebraucht hätte. Und das war dann unsere Lösung, wie wir mit einem eigentlich zu kleinen Budget trotzdem den Film machen konnten, den wir wollten. Elmar und mir ist das total entgegengekommen, weil wir schon viele Filme in Georgien gedreht haben, aber noch keinen in Deutschland gemacht hatten. Insofern waren wir froh, dass wir dort mit Leuten zusammenarbeiten konnten, die wir schon kannten. Das hat einen entscheidenden Einfluss auf den Film genommen, da waren wirklich kreative Künstler dabei, die alles Mögliche eingebracht haben.
EI: Und in Georgien sind die besten Leute alle jung, zwischen 20 und 35, unüblich in einer Filmindustrie. Die haben sich die Industrie nach dem Zusammenbruch selbst wieder aufgebaut. Die Leute dort können unglaubliche Sachen…“ (vollständiges Interview unter: https://www.arsenal-berlin.de/forum-forum-expanded/programm-forum/hauptprogramm-2025/der-kuss-des-grashuepfers/interview/
Griechenland / Frankreich / Deutschland / Zypern 2024, 123 min, griechische Originalfassung mit deutschen UT
Regie: Penny Panayotopoulou
Kostas ist seit kurzem Sicherheitsbeamter in einem öffentlichen Krankenhaus. Nach dem plötzlichen Tod seines älteren Bruders ist er gezwungen, sich um seine kleine Nichte Niki zu kümmern und auch das Geld aufzutreiben, um das Haus der Familie zu retten. In dem Moment, in dem er alle Hoffnung verloren hat, bietet ihm ein Krankenhauspförtner seine Hilfe an. Aber der Preis, den er dafür zahlen muss, ist hoch.
„Penny Panayiotopoulous Sozialdrama fängt ernüchternde Großstadt-landschaften und klaustrophobe Innenräume mit kinematografischem Anspruch ein – Lebensräume voller sozialer Sollbruchstellen, in denen ihr Protagonist die Kontrolle über sich selbst verliert und nur mit viel Mühe seinen Glauben an das Gute im Menschen behält. Eine fast dokumentarisch erzählte Parabel, die beschreibt, wohin eine Gesellschaft driftet, wenn die grundlegende lebensnotwendige Infrastruktur bröckelt und jede und jeder nur noch für eine*n Verantwortung übernimmt: sich selbst.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)

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So. 07.09.
18:00 Uhr
U Are the Universe (Ти– космос)
, OmdU – Kinostart-Premiere mit GästenPavlo Ostrikov
Ukraine / Belgien 2024, 101 min, Ukrainisch | Französisch mit deutschen und ukrainischen UT
Українська | Французька з німецькими та українськими субтитрами
Regie: Pavlo Ostrikov
Nach der Zerstörung der Erde ist Astronaut Andriy Melnyk der letzte Mensch im Universum, bis er doch einen Funkspruch von einer Catherine von einer fernen Raumstation erhält. Entschlossen, sie zu finden, macht er sich auf die gefährliche Reise.
„Viel Charme, sehr viel Phantasie beim Set Design, ungeheuer zwischenmenschelnd, auch wenn der/die/das andere manchmal ein Computer ist und mit seinen abgedroschenen Sprüchen dermaßen nervt, dass man ihm/ihr/es selbst als Zuschauer*in den Stecker ziehen möchte. Einsamkeit und Weite, das nahende Ende und die letzte Liebe im Blick, das alles mit leicht ironischer Note – und einem emotionalen Finale, für das man genügend Taschentücher bereithalten sollte.“ (Bernd Buder, FilmFestival Cottbus 2024)
„Hier stimmt so gut wie alles. Und das Schlussbild, das hier nicht näher beschrieben werden soll, ist in seiner fast kitschigen Schönheit eines der eindrücklichsten und anrührendsten des Kinojahres.“ (Fabian Wallmeier, rbb)
„Ein Kammerspiel, eine Science-Fiction-Satire, eine Liebesgeschichte, ein Eifersuchtsdrama: U ARE THE UNIVERSE hat alles, was es für großes Kino braucht.“ (Sennhausers Filmblog)
Україна, Франція, Бельгія 2024, 101 хв.
Режисер-постановник: Павло Остріков
Відлюдькуватий український далекобійник Андрій протягом двох років летить на космічному вантажному судні до найближчої чорної діри. Разом із бортовим комп’ютером Максимом, якого запрограмовано розважати пілота, вони мають скинути в чорну діру контейнери з ядерними відходами.
Але раптом планета Земля вибухає, і Андрій залишається єдиною людиною у Всесвіті, доки на зв’язок із ним не виходить лаборантка французької космічної станції Катрін…
Mi. 10.09.
10:00 Uhr
Spatzenkino – Mucksmäuschenschlau
– nur mit Voranmeldung! | reservierung@spatzenkino.de | Service-Telefon 449 47 50
Tilda Apfelkern – Das Drinnenpicknick
Ein Platzregen wirft die Picknickpläne von Tilda und ihren Freunden über den Haufen. Doch dann gibt es ein gemütliches Drinnenpicknick.
Regie: Konrad Weise, D 2017, Zeichentrickfilm, 7 Min.
Der Karpfen und das Kind
Das Kind möchte in Ruhe angeln. Das neugierige Hündchen allerdings kann kaum stillsitzen: ein Glück für den Karpfen.
Regie: Morgane Simon und Arnaud Demuynck, B / F 2024, 7 min
Tillebille
Die Maus Tillebille zieht um. Schnell findet sie ein schönes Haus und neue Freunde. Nun muss sie nur noch kurz den Fuchs verjagen.
Regie: Heinz Steinbach, DDR 1986, Puppentrickfilm, 18 Min.
Mi. 01.10.
10:00 Uhr
Spatzenkino – Herbstsammelsurium
– nur mit Voranmeldung! | reservierung@spatzenkino.de | Service-Telefon 449 47 50
Weißt du eigentlich wie lieb ich dich hab?
Die Sammlung
Die Maus sammelt Blätter, das Grauhörnchen Eicheln. Und der kleine Hase? Der sucht eine ganz besondere Sammlung.
Regie: Steve Moltzen, AUS/D 2016, Zeichentrickfilm, 10 Min.
Warum haben Eichhörnchen so buschige Schwänze?
Der buschige Schwanz des Eichhörnchens ist hübsch und sehr nützlich. Das zeigt der kurze Dokumentarfilm aus der Sendung mit der Maus.
Sendung mit der Maus, D 2015, 5 Min.
Der kleine Aston will nicht alleine sein
Der kleine Hund Aston sammelt Steine. Als es in seinem Zimmer zu voll wird, finden sie am See ein neues Zuhause.
Regie: Uzzi + Lotta Geffenblad, S 2007, Flachfigurenfilm, 9 Min.
Das Erntefest
Die kleine Maus müht sich, die Apfelernte nach Hause zu karren. Zum Glück fassen Frosch und Igel mit an.
Regie: Günter Rätz, DDR 1984, Puppentrickfilm, 9 Min.
Mi. 12.11.
10:00 Uhr
Spatzenkino – Tierisch stark
– nur mit Voranmeldung! | reservierung@spatzenkino.de | Service-Telefon 449 47 50
Das kleine Schweinchen fliegt
Schweine können nicht fliegen! Das sagen alle, doch das kleine Schweinchen gibt nicht auf.
Regie: Mirko Dreiling, S/D 2021, Zeichentrickfilm, 12 Min.
Trudes Tier – Sankt Martin
Rechtzeitig zum Laternenumzug lernt Trudes Tier, dass Teilen mehr ist, als eine Jacke zu zerschneiden.
Regie: Klaus Morschheuser/Johannes Weiland, D 2022, Zeichentrickfilm, 6 Min.
Wüstentier
Irgendwas stimmt nicht: Das Wüstentier hat den falschen Schatten. Wo kann es ihn wieder eintauschen?
Regie: Lina Walde, D 2023, Computeranimation, 8 Min.
Mama Muh tanzt
Die Kuh Mama Muh schwingt die Hufe und dreht fröhlich Pirouetten. Mit ihrer Tanzlaune steckt sie auch die Krähe Krah an.
Regie: Igor Veyshtagin, D 2008, Zeichentrickfilm, 7 Min.
Mi. 03.12.
10:00 Uhr
Spatzenkino – Weihnachtsüberraschung
– nur mit Voranmeldung! | reservierung@spatzenkino.de | Service-Telefon 449 47 50
Pettersson und Findus – Weihnachtsbesuch
Kurz vor Weihnachten verstaucht sich Pettersson den Fuß. Findus fürchtet um das Weihnachtsfest, aber Pettersson lässt sich was einfallen.
Regie: Albert Hanan Kaminski, S/D 1999, Zeichentrickfilm, 13 Min.
Tomte Tummetott und der Fuchs
Nach einer Geschichte von Astrid Lindgren
Seit Jahrhunderten wacht der Wichtel Tomte Tummetott über Menschen und Tiere auf dem alten Hof. So entgeht ihm auch nicht, dass am Weihnachtsabend ein hungriger Fuchs um den Hühnerstall schleicht.
Regie: Sandra Schießl, D 2007, Stopp-Trick-Animation, 29 Min.